Magazin der Universität Zürich Nr. 2/97

Mehr als Text und Bild

Hinter dem Schlagwort Multimedia steht ein enorm interessantes Forschungsgebiet. In vielfältigster Weise befasst es sich mit verschiedenen Medien, ihrer Konversion und Integration. Text und Bild tauchen dabei in allen möglichen Formen auf. Beispiele aus dem MultiMedia-Laboratorium der Universität Zürich illustrieren einige Anwendungen.

VON MARTIN DÜRST UND PETER STUCKI

Das Wort «Multimedia» bedeutet «mehrere Medien». Mit «Medien» sind dabei die Träger gemeint, die uns Informationsinhalte übermitteln können. Dabei tragen sie nicht unwesentlich zum Eindruck dieser Inhalte auf uns bei.

Medien können auf verschiedene Arten eingeteilt werden. Das wichtigste Kriterium ist die Sinneswahrnehmung, die ein Medium beim Menschen anspricht. Medien, die den Gesichtssinn – Texte, Bilder, Videos – und Gehörsinn – Töne, Klänge, Musik – ansprechen, können mit dem Computer schon sehr gut erfasst und wiedergegeben werden. Der Tastsinn kann bis jetzt nur beschränkt angesprochen werden, etwa bei 3-D-Rekonstruktionen (3-D-«Druck»), bei Braille-Terminals oder bei Anwendungen mit Kraftrückkopplung – zum Beispiel für Operationen auf Distanz. Das Ansprechen des Geruchs- und Geschmackssinns mit dem Computer liegt dagegen noch in weiter Ferne.

Weitere Systematisierungen ergeben sich aus der Datengrundlage – strukturiert vs. nicht strukturiert, zum Beispiel Graphik vs. Photographie –, aus der zeitlichen Dynamik – Einzelbild vs. Video –, aus der Interaktivität – Präsentation mit vorbestimmtem Ablauf vs. interaktive Anwendung –, aus der Verteilungsart – Aussendung oder Abholung.

Text nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung ein. Er erscheint zwar als statisches Bild, enthält aber implizit einen Zeitablauf und eine akustische Komponente. Dazu erlaubt er im Gegensatz zu den anderen Medien die Reflexion von Sachverhalten als Gegensatz zum intuitiven Erfassen und Erfahren.

Vielfach wird Text als selbstverständlich erachtet und deshalb in der Forschung ignoriert. Dabei ergeben sich auch hier, wie im nächsten Artikel gezeigt, sehr interessante Fragestellungen.

Technik, Inhalt und Gestaltung

Für ein Multimedia-«Produkt» sind Technik, Inhalt und Gestaltung die drei entscheidenden Dimensionen. Diese Dimensionen bedingen sich dabei gegenseitig. Eine technische Glanzidee wirkt ohne Inhalt leer. Einen interessanten Inhalt muss man ansprechend gestalten, wenn er ankommen soll. Gestalterische Ideen wiederum müssen auf die technischen Gegebenheiten Rücksicht nehmen.

In unserer Forschung am MultiMedia-Laboratorium befassen wir uns als Informatiker vor allem mit der Technik, und zwar sowohl mit einzelnen Medien wie auch mit der Umwandlung von einem Medium in ein anderes und mit der Integration verschiedener Medien zu einem Ganzen. Forschungsthemen, die sich auf einzelne Medien beziehen, sind etwa die Integration von Text in ganz verschiedenen Schriften (Arabisch, Japanisch...), die Kompression von Bildern für ihre effiziente Übertragung oder die Restauration von Sequenzen alter und beschädigter Filme. Die Umwandlung von einem Medium in ein anderes zeigt sich in Themen wie Objekterkennung aus Bildern und Klanggenerierung aus Graphiken. Die Integration verschiedener Medien führt zu Problemen der Software-Architektur, zum Beispiel für verteilte und mobile Systeme, und der Endanwendungsgestaltung, besonders im Bereich der virtuellen Realität, wo der Benutzer in eine simulierte Welt eintaucht.

Intensive Zusammenarbeit

Inhaltliche Anstösse erhalten wir aus der intensiven Zusammenarbeit mit andern Instituten der Universität und mit externen Partnern. In verschiedenen Projekten arbeiten wir zum Beispiel intensiv mit der Medizin und Anthropologie zusammen. Die Aufbereitung von 3-D-Bilddaten aus Tomographen, ihre Umwandlung in Oberflächenmodelle, ihre Darstellung und Manipulation am Rechner und ihre Rekonstruktion zu greifbaren 3-D-Modellen mit der Technik der Stereolithographie (siehe Artikel «das Spiegelbild des Narziss») sind Thema verschiedener Projekte.

In einem gedruckten Endprodukt kann nur ein kleiner Teil der immer vielfältigeren Multimedia-Welt zum Ausdruck kommen, nämlich die Komponenten Text und Bild. Aspekte wie Klang, dynamische Abläufe und interaktive Manipulation muss sich der Leser leider noch dazudenken (bis das erste interaktive «unimagazin» erscheint). Als Alternative gibt es zurzeit den Besuch einer Vorlesung oder Präsentation und die Erprobung eines Anwendungsprototyps. Multimedia soll man nicht nur sehen, sondern vor allem auch erleben!


Dr. Martin Dürst ist Oberassistent, und Dr. Peter Stucki (stucki@ifi.unizh.ch) ist ordentlicher Professor am Institut für Informatik und Leiter des MultiMedia-Laboratoriums der Universität Zürich.


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Nicolas Jene (
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Last update: 20.07.97