Den Grundstein für die Diagnostische Radiologie legte am 8. November 1895 Wilhelm Conrad Röntgen mit der Beobachtung: «Das an dieser Erscheinung zunächst Auffallende ist dass durch die schwarze Kartonhülse, welche keine sichtbaren oder ultravioletten Strahlen durchlässt, ein Agens hindurchgeht, das im Stande ist, lebhafte Fluoreszenz zu erzeugen.» Die bis zu jenem Zeitpunkt noch unbekannten Strahlen gewähren unter dem Namen Röntgenstrahlen der Medizin völlig neue Einblicke in das bisher verborgene Innere des Menschen. Seither sind zahlreiche neue Bildgebungsverfahren entwickelt worden.
VON JÖRG F. DEBATIN
Seit Röntgens Entdeckung vermochte die Diagnostische Radiologie mehr noch als die meisten anderen Gebiete der Medizin vom immer schneller werdenden technischen Fortschritt zu profitieren. Beinahe im Dekadentakt wurden neue Bildgebungsverfahren entwickelt und in die klinische Routine integriert. Trotz der hohen Kosten konnten sich die Methoden aufgrund der damit verbundenen Erleichterungen für die Patienten in der Diagnostik auch schwieriger Krankheitsprozesse schnell durchsetzen. Auch am Universitätsspital Zürich profitieren täglich zahlreiche Patienten von diesen neuen bildgebenden Technologien: Der Ultraschall, die Computertomographie und selbstverständlich die Magnetresonanztomographie sind zum Rückgrat der modernen Diagnostik geworden. Bilder, die in jeder Raumebene mit hohen Bildkontrasten die zu untersuchende Struktur aus ihrer Umgebung herauslösen, objektivieren den Befund und ergänzen dadurch auf wertvolle Art und Weise die körperliche Untersuchung.
Abb. 1 ab: Durch die Digitalisierung der Thoraxaufnahme können mit anschliessender Bildnachverarbeitung verschiedenste Strukturen hervorgehoben werden. |
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Abb. 2: Eine mit der Computertomographie (CT) aufgenommene Schicht durch die rechte Lunge zeigt das Lungengewebe sowie die darin liegenden Gefässe. Durch Verschluss eines kleinen Gefässes (Lungenembolie) hat sich im Randbereich ein Infiltrat gebildet. Die dünnen Schnittbilder der CT erlauben die Sichtbarmachung selbst kleinster Arterien, die auf den Übersichtsaufnahmen nicht erkennbar sind. |
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Abb. 3: Dreidimensionale Darstellung der Luftröhre und der damit verbundenen Bronchien, die die Luft in das Lungengewebe leiten. Diese dreidimensionale Aufnahme basiert auf einem Datensatz, der mit der CT aufgenommen wurde. |
Verringerung der Patientenbelastung
Ziel einer jeden Verbesserung der Diagnostik muss es sein, die durch Schmerzen und Strahlen verursachte Belastung der Patienten auf ein Minimum zu reduzieren. Durch technische Innovationen konnte die Radiologie hier grosse Fortschritte erzielen. So wurde die Strahlenexposition für alle Röntgenaufnahmen durch Verbesserung der Filtertechnik sowie des Aufbaus des Röntgenfilms in den letzten 20 Jahren um ein Vielfaches verringert. Zum Beispiel entspricht die bei einer Thoraxaufnahme entstehende Strahlenbelastung der eines Transatlantikfluges von Zürich nach New York.
Ausserdem wurden einige neue, wenig bzw. vollkommen unschädliche Verfahren entwickelt. Der Ultraschall ermöglicht einen vollkommen nichtinvasiven Einblick in das Innere des Menschen. Die Technik ist breit verfügbar und bei der Beurteilung der Bauch- und Beckenorgane genauso wertvoll wie bei der Untersuchung der Schilddrüse oder der Halsschlagadern. Der Ultraschallkopf ist in gewisser Weise eine Erweiterung der untersuchenden Arzthand geworden, mit der es gelingt, mit einem geringen Aufwand auch in die Tiefen des Körpers vorzudringen.
Wenn auch gelegentlich die Eindringtiefe des Ultraschalls eingeschränkt und dadurch die diagnostische Aussagekraft limitiert ist, so kann mit dem Einsatz anderer Schnittbildverfahren Abhilfe geschaffen werden. Überlagerungsfreie dünne Schichten des menschlichen Körpers können mit Computertomographie und Magnetresonanztomographie dargestellt werden. Organe, wie die Leber, werden gewissermassen in kleine Scheibchen geschnitten. Die Betrachtung der einzelnen Scheibchen erhöht die Genauigkeit der Beurteilung. Auch kleinste Herde von unter einem Zentimeter Grösse können mit Sicherheit ein- oder ausgeschlossen werden. Dies erlaubt die Diagnose von Krankheiten in einem Frühstadium, das eine erfolgversprechende Therapie noch zulässt.
Mit der Einführung der Computertomographie in den 70er und 80er Jahren konnten zahllose Operationen umgangen werden. Dennoch bleibt bei der Computertomographie die Strahlenbelastung bestehen. Gänzlich ohne schädliche Nebenwirkungen gelingt mit der Magnetresonanztomographie die Beurteilung verschiedenster Körperregionen in allen Raumebenen. Die Technik beruht auf den magnetischen Eigenschaften von im Körper befindlichen Wasserstoffkernen. Mit der Magnetresonanztomographie kann der Körper gewissermassen von oben nach unten, aber auch von vorne nach hinten oder von rechts nach links eingesehen werden. Seit Einführung der Magnetresonanztomographie in den 80er und 90er Jahren wurde auch dieses Verfahren vielfältigst verbessert. Dies wirkte sich insbesondere durch eine erhebliche Verkürzung der Untersuchungszeiten aus, die zu einer weiteren Verringerung der subjektiven Patientenbelastung geführt hat.
Digitalisierung der Bilddaten
Auf den Röntgenbildern kommt die Durchlässigkeit der Röntgenstrahlen durch den menschlichen Körper durch verschiedene Graustufen zur Darstellung. Selbst das untrainierte Auge kann die lufthaltige Lunge von kalkdichtem Knochen unterscheiden. Allerdings ist die Kapazität des menschlichen Auges in der Differenzierung verschiedener Graustufen begrenzt. Deshalb ist man dazu übergegangen, die Dichtewerte numerisch zu erfassen. Durch diesen Prozess der Digitalisierung erwachsen für den Patienten weitere Vorteile. Zum einen können Betrachtungsfenster gewählt werden, in denen eng beieinanderliegende Dichtewerte durch Graustufen repräsentiert werden, die das menschliche Auge nicht mehr als unterschiedlich erkennt. Somit lassen sich auch zunehmend subtilere Veränderungen darstellen. Des weiteren erlaubt die Digitalisierung eine Bildnachverarbeitung, die ein Hervorheben beispielsweise der knöchernen Strukturen oder des Lungenbindegewebes ermöglicht.
Abb. 4: Dreidimensionale Darstellung der Hauptschlagader im Bereich des Bauchraumes (a). Die Schlagader ist deutlich erweitert (Aneurysma). Die moderne, nicht-invasive MR-Technik ermöglicht die Aufnahme dieser Daten in unter 30 Sekunden. |
Abb. 5 a (oben) und 5 b (unten): Dreidimensionale Darstellung des Dickdarms mit der Magnetresonanztomographie (MR). Die zugrundeliegenden Daten werden in nur 30 Sekunden aufgenommen. Da es sich um einen dreidimensionalen Datensatz handelt, kann die Morphologie von aussen wie auch von innen betrachtet werden. Der virtuelle Blick in das Innere des Dickdarms (b) ermöglicht die Beuteilung der Faltenstruktur des Dickdarms. |
Letztlich erleichtert die Digitalisierung auch die Archivierung der Bilddaten und vor allem auch deren Transfer. Durch die Schaffung eines einheitlichen Bilddatenformates sollte es in Zukunft möglich sein, die Daten von Röntgenbildern auf den digitalen Netzen vom Spital in eine ärztliche Praxis oder ein anderes Spital zu übertragen, ohne dass dafür die oftmals unhandlichen und gelegentlich nicht mehr auffindbaren Röntgenbilder verschickt werden müssen.
Nutzung dreidimensionaler Darstellungsformen
Schon bei oberflächlicher Betrachtung erkennt unser Auge, dass der Mensch ein dreidimensionales Gebilde ist. Röntgenbilder vermochten die Körperstrukturen allerdings lange nur zweidimensional wiederzugeben. Mit der Computertomographie sowie der Magnetresonanztomographie gelingt es, dreidimensionale Bilddatensätze aufzunehmen. Durch den Einsatz ultraschneller Aufnahmetechniken ist es somit möglich geworden, die Luftröhre mit den daranhängenden Bronchien mit der Computertomographie, oder die Hauptschlagader mit den davon abgehenden, die Bauchorgane versorgenden Arterien mit der Magnetresonanztomographie als dreidimensionale Gebilde darzustellen.
Mit Hilfe leistungsfähiger Computer können diese dreidimensionalen Bilddatensätze aus verschiedensten Blickrichtungen betrachtet werden. So ist es möglich geworden, den Beobachter «virtuell» in die Hauptschlagader zu versetzen und ihn interaktiv durch die verschiedenen Gefässe «hindurchfliegen» zu lassen. Ähnliches ist nun am Universitätsspital Zürich erstmals für die Beurteilung von Hohlorganen, wie zum Beispiel des Dickdarms entwickelt worden. Basierend auf einem dreidimensionalen Datensatz, der innerhalb von 30 Sekunden aufgenommen wird, kann der virtuelle Beobachter das Innere des Dickdarms während eines auf dem Computer erzeugten Flugs inspizieren. Mit diesen virtuellen endoskopischen Techniken scheint es möglich, die weitaus aufwendigere und für den Patienten belastendere konventionelle Endoskopie in einigen Bereichen zu ersetzen.
Dr. Jörg F. Debatin (debatin@radiol.unizh.ch) ist Privatdozent für das Gebiet Diagnostische Radiologie am Departement Medizinische Radiologie des Universitätsspitals Zürich.
unipressedienst Pressestelle der
Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
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Last update: 20.07.97