Durch die grossen technischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts ist unser Leben in mancher Hinsicht leichter geworden. Wir haben in weit geringerem Mass körperliche Arbeit zu leisten als frühere Generationen. In vielen Berufen sind die geistigen Anforderungen erheblich gestiegen, während die körperliche Kraftanstrengung auf ein Minimum gesunken ist.
VON FELIX GUTZWILLER
Die Folge dieser Entwicklung: Ein Grossteil der Bevölkerung braucht heute die Muskeln kaum mehr, weder am Arbeitsplatz oder im Haushalt noch für die Fortbewegung. So angenehm diese Befreiung von körperlichen Mühen auch ist, so unvorteilhaft sind ihre Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Es ist eine biologische Tatsache, dass der menschliche Organismus für ein gewisses Mass an regelmässiger körperlicher Beanspruchung angelegt ist. Wird aber ein solches naturgegebenes System nicht ausreichend beansprucht, muss es zwangsläufig an Leistungsfähigkeit einbüssen und schliesslich verkümmern.
Aus der Schweiz gibt es leider keine Schätzungen darüber, welcher Teil der Todesfälle auf körperliche Inaktivität zurückzuführen ist. Für die USA wurde 1990 geschätzt, dass rund jeder achte Todesfall auf körperliche Inaktivität zurückzuführen ist: Dabei geht es insbesondere um Herzinfarkt, Hirnschlag, aber auch Dickdarmkrebs und Diabetes (Zuckerkrankheit). Damit ist körperliche Inaktivität einer der wichtigen, vor allem veränderbaren Gründe für vorzeitige Todesfälle. Berechnungen zeigen zudem, dass schon relativ bescheidene Veränderungen der Bewegungsgewohnheiten (z. B. die Abnahme der inaktiven Personen in der Bevölkerung um 10 bis 15 Prozent) die Todesfälle bevölkerungsweit um 1,5 bis 2 Prozent reduzieren könnten.
Natürlich gibt es auch das umgekehrte Phänomen: Die bei körperlicher Betätigung und Sport auftretenden Unfälle, Verletzungen und Schäden (zum Beispiel des Bewegungsapparates) gehören mit hinein in eine ganzheitliche Betrachtung der Bedeutung des Sportes. Insgesamt überwiegen aber sicher die positiven Folgen der körperlichen Aktivität der Bevölkerung.
Beim körperlich nicht aktiven Menschen sind Wirbelsäule und Gelenke, Muskulatur und Herz besonders gefährdet. Die Bedeutung der Beweglichkeit von Wirbelsäule und Gelenken im täglichen Leben und vor allem bei zunehmendem Alter liegt darin, dass sie eine wesentliche Sicherung gegen Unfälle aller Art darstellt. Desgleichen schützt eine gutausgebildete Muskulatur den Bewegungsapparat gegen Unfalleinwirkungen beispielsweise beim Ausgleiten oder Stürzen. Die Muskelkraft ist aber auch Voraussetzung für jegliche körperliche Arbeitsleistung, für Geschicklichkeit und Gewandtheit.
Die Bewegungsarmut ist zwar ein im wahrsten Sinne des Wortes bequemer, dafür um so gefährlicherer Risikofaktor, dessen Auswirkungen meist erst mit zunehmendem Alter unmittelbar spürbar werden. Es gibt nur ein wirksames Gegenmittel: Absage an eine allzu grosse Bequemlichkeit und Bereitschaft zu vermehrter körperlicher Aktivität.
Bei einer entsprechenden körperlichen Aktivität kann vom einzelnen folgender Nutzen erwartet werden:
Verbesserung der Herz-Kreislauf-Kapazität:
Um sich der Anstrengung anzupassen, beginnt der Körper, mehr
Muskeln zu bilden, vor allem bei der Herzmuskulatur. Das Herz
stösst mehr Blut aus und muss im Ruhestand weniger schnell
schlagen. Dadurch wird der Herzmuskel bei einer erhöhten
körperlichen Belastung, wenn der Körper viel Sauerstoff und
Energie braucht, leistungsfähiger.
Kontrolle des Körpergewichtes:
Ausser dem Energieverbrauch (300 bis 400 Kilokalorien für
eine Stunde intensiver Gymnastik) hat der Sport vor allem auch
einen grossen Einfluss auf den Grundumsatz (Energieverbrauch im
Ruhezustand). Regelmässiges körperliches Bewegen hilft, die
Muskelmasse stabil zu halten oder sie zu vergrössern. Und da die
Muskeln für den Grundumsatz von entscheidender Bedeutung sind,
gilt: Je mehr Muskeln ein Mensch hat, um so höher ist sein
Grundumsatz. Dadurch kann das optimale Gewicht leichter gehalten
werden.
Senkung des Cholesterinspiegels:
Regelmässiger Sport senkt das schlechte Cholesterin
(LDL-Cholesterin) und erhöht das gute Cholesterin
(HDL-Cholesterin).
Reduktion des Risikos der Zuckerkrankheit
(Diabetes):
Muskeln verbrauchen durch ihre Tätigkeit Energie, unter
anderem in Form von Zucker. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel
und parallel auch der Bedarf an Insulin (Hormon, das den
Blutzucker senkt). Leute, die zu Diabetes neigen, sollten daher
vor allem nach dem Essen (zur Anregung des Blutzuckerabbaus)
regelmässig eine leichte körperliche Aktivität ausüben.
Verhinderung von Knochenschwund:
Beim Sport werden die Knochen belastet. Dies zwingt sie,
härter und dicker zu werden. Nach der Wachstumsphase bis ins
junge Erwachsenenalter nimmt die Knochenmasse ab etwa 35 Jahren
stetig ab. Der Wachstumsprozess sollte wenn möglich von Kindheit
an durch etwas körperliche Bewegung gefördert werden, damit es
in fortgeschrittenem Alter nicht zu Problemen durch
Knochenschwund kommt (Osteoporose).
Vermeiden vorzeitigen Alterns:
Vergleicht man die verschiedenen physiologischen Parameter
(Herz-Kreislauf-Funktion, Körperzusammensetzung usw.) von
50jährigen oder älteren sporttreibenden Menschen mit jenen
Gleichaltriger ohne körperliche Bewegung, scheinen
Sporttreibende oftmals 10 bis sogar 20 Jahre jünger.
Das bedeutet aber noch keineswegs die Aufnahme eines harten sportlichen Übungsprogramms: Es geht für den Durchschnittsmenschen nicht darum, seinen Körper für wettkampfmässige Höchstleistungen zu trainieren. Wichtig ist das Erreichen einer allgemeinen Fitness, mit der sich die vielfältigen Belastungen des beruflichen und privaten Alltags problemlos bewältigen lassen. Fitsein bedeutet nichts anderes als eine gute Gesamtverfassung des Organismus, genügende körperliche Leistungsfähigkeit und psychische Belastbarkeit.
Zu beachten ist allerdings, dass die persönlichen Fitness-Wunschziele innerhalb der erreichbaren Möglichkeiten des eigenen Körpers gesteckt und die Anstrengungen nicht auf eine einzige körperliche Aktivität konzentriert werden. Ein Fitnesstraining soll den gesamten Körper gleichmässig beanspruchen, darf dabei aber die Grenzen der Belastbarkeit niemals zum gesundheitlichen Nachteil überschreiten. Eine optimale Körperertüchtigung erfordert also immer mehrere Arten von Fitnessübungen, deren verschiedene Schwerpunkte auf der Verbesserung der Beweglichkeit, der Kraft und des Dauerleistungsvermögens liegen müssen.
Bewegungsregeln | |||||
Sportart | Kalorienverbrauch in 30 Minuten | ||||
55 kg | 67 kg | 80 kg | 100 kg | ||
Ballspiele | Basketball,
Fussball, Handball Federball (Badminton) |
230 160 |
280 200 |
330 230 |
380 260 |
Radfahren | 812
km/h 1520 km/h |
100 170 |
130 200 |
150 240 |
330 270 |
Rennen | 6,0
min/km 5,0 min/km 4,5 min/km |
320 350 400 |
390 420 470 |
460 500 540 |
530 560 600 |
Skilanglauf | mittleres
Tempo/Ebene hohes Tempo/hügeliges Gelände |
200 460 |
240 560 |
280 650 |
320 750 |
Schwimmen | Brust,
Kraul, mittleres Tempo Brust, Kraul, hohes Tempo |
210 260 |
260 320 |
300 375 |
350 430 |
Squash | 360 | 430 | 510 | 585 | |
Tennis | 180 | 220 | 260 | 300 | |
Volleyball | 80 | 100 | 120 | 130 | |
Wandern | ebenes
bis hügeliges Gelände Bergwandern |
130 200 |
160 240 |
190 290 |
220 330 |
Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie ein Leistungssportler oder eine Leistungssportlerin werden. Um Ihren Kreislauf fit zu halten, genügt es, wenn Sie sich regelmässig körperlich belasten. Durch den dabei benötigten Energiebedarf wird der Stoffwechsel Ihres Körpers aktiviert. Und das sind die wichtigsten Regeln:
Auch im Alltag kann man ein Bewegungstraining einbauen:
Dr. Felix Gutzwiller (gutzwill@ifspm.unizh.ch)ist ordentlicher Professor und Direktor des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich.
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Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
http://www.unizh.ch/upd/magazin/4-96/
Last update: 09.07.97