Magazin der Universität Zürich Nr. 4/96

Spezialstreibstoff für den Ausdauersport

Das Thema Diät und «richtige Ernährung» zur Leistungssteigerung ist ein Dauerbrenner unter Sporttreibenden. Dabei stösst man nicht selten auf völlig entgegengesetzte Empfehlungen. Zusätzlich versprechen «Energy-drink & Co» Flügel. Was ist dran, und wie sieht die «richtige Ernährung» für Aktive im Ausdauersport aus wissenschaftlicher Sicht überhaupt aus?

VON PAOLO COLOMBANI UND CASPAR WENK

[Forschungsarbeiten]

Neu ist das Thema auch in der Wissenschaft nicht: Bereits vor über 100 Jahren untersuchte der deutsche Physiologe Nathan Zuntz Stoffwechselvorgänge unter körperlicher Belastung, um anschliessend Rückschlüsse auf eine richtige Ernährung zu ziehen. Seitdem ist der Berg an Erkenntnissen enorm angewachsen. Heutzutage herrscht in der Wissenschaft weitgehendst Einigkeit, wie eine sportartgerechte Ernährung aussehen sollte.

Die Ernährung trägt im Ausdauersport wesentlich zum möglichst problemlosen Bestehen der vielen Trainingseinheiten und Wettkämpfe bei. In erster Linie sollte dem gegenüber Nichtsporttreibenden teilweise massiv erhöhten Energiebedarf Beachtung geschenkt werden. Dabei muss aber nicht auf irgendwelche Nährstoffpräparate zurückgegriffen werden. Der zusätzliche Bedarf kann durch eine ausgewogene, vielseitige Ernährung erreicht werden, die ihr Augenmerk besonders auf eine Nährstoffgruppe ausrichtet: die Kohlenhydrate.

Kohlenhydratspeicher aufladen

Die unumstrittene Basis einer jeden Sporternährung sind die Kohlenhydrate. In unzähligen Versuchen ist die durch die Einnahme einer genügend grossen Menge an Kohlenhydraten verursachte leistungsverlängernde Wirkung gezeigt worden. Beim Ausdauersport ist das Aufladen der Kohlenhydratspeicher (Glycogenspeicher) in Muskulatur und Leber von besonders grosser Bedeutung. Gefüllte oder sogar «überfüllte» Glycogenspeicher ermöglichen, eine Ausdauerbelastung nicht nur länger, sondern auch auf einem höheren Intensitätsniveau durchzuführen.

Eigentlich spielen auch die Fette eine wesentliche Rolle als Energielieferanten. Da aber auch der magerste Mensch so grosse Körperfettreserven aufweist, dass er daraus Energie für rund 100 Stunden Joggen mobilisieren könnte, muss den Fetten in der Ernährung keine spezielle Beachtung geschenkt werden. Als letzter energieliefernder Nährstoff kommt noch das Eiweiss in Frage, aber praktisch spielt es in bezug auf die Energiegewinnung nur eine beschränkte Rolle. Hingegen üben die Eiweisse während körperlicher Belastungen möglicherweise andere wichtige Funktionen aus (siehe Kasten). Die Kohlenhydrate sind somit bezüglich Energiegewinnung die wichtigste Nährstoffgruppe, auf die in einer Sportlerernährung geachtet werden muss, und es stellen sich jetzt eine Reihe von Fragen. Welche Kohlenhydrate müssen in der Ernährung bevorzugt enthalten sein? Wieviel Kohlenhydrate müssen eingenommen werden? Wann und in welcher Form müssen diese verzehrt werden?

Gewusst was wann wie

In der Basisernährung des Ausdauersportlers sollen hauptsächlich Nahrungsmittel eingenommen werden, die Kohlenhydrate mit einem mittleren bis niedrigen, sogenannten glycämischen Index beinhalten. Der glycämische Index besagt, wie schnell Kohlenhydrate in den Körper aufgenommen werden und den Blutzuckerspiegel anheben. Ein Nahrungsmittel mit einem hohen glycämischen Index verursacht eine rasche Erhöhung des Blutzuckerspiegels, eines mit einem niedrigen Index dagegen eine langsamere Erhöhung. Durch die langsame und über die Zeit verteilte Erhöhung des Blutzuckerspiegels wird auch ein länger andauerndes Sättigungsgefühl hervorgerufen.

Enthält nun die Basisernährung einen konstant hohen Kohlenhydratanteil von etwa 55 bis 60 Prozent der gesamten eingenommenen Energie oder etwa sechs bis sieben Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpermasse, sind die Glycogenspeicher ständig zu einem guten Grade gefüllt. Durch eine Erhöhung der Kohlenhydrateinnahme auf acht bis zehn Gramm pro Kilogramm Körpermasse in den Tagen vor einem wichtigen Ereignis (intensives Training oder Wettkampf) können die Speicher maximal aufgefüllt werden. Eine so stark kohlenhydratbetonte Ernährungsweise ist aber nicht gerade einfach zu befolgen und möglicherweise auch nicht sehr schmackhaft. Aus energetischer Sicht sind jedoch gefüllte Speicher die Grundlage für das erfolgreiche Bestehen einer Ausdauerbelastung.

Durch die Energiefreisetzung aus den Kohlenhydraten werden diese Speicher während einer Ausdauerbelastung erheblich verbraucht, so dass eines der wichtigsten Ziele in der Ernährung von Ausdauersportlern darin besteht, sie möglichst rasch und vollständig wieder aufzufüllen. Nach einer Belastung kann dies mit Nahrungsmitteln oder Getränken erzielt werden, die einen hohen bis mittleren glycämischen Index aufweisen. Dabei kommt dem Sportler die Tatsache zugute, dass in den Stunden unmittelbar nach der Belastung die Aufnahme von Blutzucker in die Muskulatur in einem grösseren Umfang erfolgt. Aber auch in dieser Zeit ist die höchste Glycogeneinlagerungsrate bereits erreicht, sobald etwa 50 Gramm Kohlenhydrate alle zwei Stunden verzehrt werden. Bei maximal entleerten Glycogenspeichern kann das vollständige Auffüllen der Speicher rund 24 Stunden dauern, wenn dabei in regelmässigen Abständen Kohlenhydrate zugeführt werden. Da im Normalfall dies durch die mehrstündige Schlafpause nicht gegeben ist, verlängert sich das Auffüllen dementsprechend.

«Richtige Ernährung» mit Phantasie

Abb. 1: Mit Verbesserung der körperlichen Lesitungsfähigkeit kann auch die Notwendigkeit einer Flüssigkeits- und Energieaufnahme hinausgezögert werden.

Die Kohlenhydrataufnahme während einer Ausdauerbelastung hat unterschiedliche Ziele. Sie liefert zusätzliche Energie von aussen und spart somit die körpereigenen Glycogenreserven. Während einer Ausdauerbelastung werden Kohlenhydrate gewöhnlich in Form von gesüssten Getränken aufgenommen. Dabei wird nicht nur Energie zugeführt, sondern – und viel wichtiger – auch Wasser. Wasser ist der erste limitierende Faktor während einer Ausdauerbelastung. Bereits ein Wasserverlust von knapp zwei Prozent des Körpergewichts – dies entspricht bei einer Person von 70 Kilogramm weniger als 1,5 Kilogramm –, führt zu messbaren Leistungseinbussen. Bei Belastungen (Laufen) mit einer Dauer von einer Stunde oder länger sollen deshalb bereits von Beginn an alle 15 bis 20 Minuten etwa zwei Deziliter getrunken werden. Am besten eignet sich ein Getränk mit bis zu 60 Gramm Kohlenhydraten pro Liter, das zur besseren Kohlenhydrat- und Wasseraufnahme etwas Kochsalz enthält. Dauert die Belastung bis ungefähr eine Stunde, so reichen die körpereigenen Energiereserven im Normalfall aus, und auch die Wasserverluste halten sich meistens im tolerierbaren Rahmen. Aus Abbildung 1 wird ersichtlich, dass mit einer Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit die Notwendigkeit einer Flüssigkeits- und Energieaufnahme hinausgezögert werden kann.

Eine «richtige» Ernährung nützt Ausdauersportlerinnen und -sportlern auf jeden Fall, sie sind aber dabei, wie bereits erwähnt, nicht auf spezielle Nährstoffpräparate angewiesen. Diese können, wie beispielsweise im Falle von Sportgetränken, zwar praktisch sein, doch sie sind in der Regel nicht gerade preiswert. Eine ausgewogene und vielseitige Ernährung deckt auch bei einem Ausdauersportler den Energie- und Nährstoffbedarf. Und wird der Phantasie ein bisschen freier Lauf gelassen, so können wunderbare und schmackhafte Mahlzeiten kreiert werden, die wirklich Spass beim Essen machen.


Dr. Caspar Wenk (caspar.wenk@inw.agrl.ethz.ch)ist ordentlicher Professor für Ernährungslehre an der ETH Zürich; Paolo Colombani ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gruppe Ernährungsbiologie.


Forschungsarbeiten

In der Gruppe Ernährungsbiologie wurden an der ETH bereits eine ganze Reihe von Untersuchungen an Ausdauersportlern durchgeführt (Wirkung von Kohlenhydrat-, Mineralstoff- oder Vitamin-Supplementen auf die körperliche Leistungsfähigkeit). Die letzten Arbeiten befassten sich mit dem Einfluss von mit Eiweiss oder Aminosäuren angereicherten Getränken auf Stoffwechsel und Leistung während Marathonläufen. Als Baustein vieler Organe ist Eiweiss für das Leben unentbehrlich. Seit einigen Jahren wird vermutet, dass zusätzliche Gaben an Eiweiss kurz vor oder während Ausdauerbelastungen die körpereigenen Eiweisse (vor allem Muskulatur und/oder Leber) schonen und diese somit weniger in Mitleidenschaft ziehen. Es wurde auch schon beobachtet, wie das Auffüllen entleerter Kohlenhydratspeicher nach einer Belastung in einem rascheren Ausmass stattfand, wenn Kohlenhydrate in Kombination mit Eiweiss eingenommen wurden. Ob diesen wünschenswerten Auswirkungen zusätzlicher Eiweissgaben bei Ausdauersportlern auch negative Effekte gegenüberstehen, ist Gegenstand laufender Untersuchungen. Vorläufige Ergebnisse lassen vermuten, dass die Art der Eiweisse eine entscheidende Rolle spielt, ob unerwünschte Wirkungen auftreten oder nicht.


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Nicolas Jene (
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Last update: 09.07.97