[Laboratorium für Neutronenstreuung (LNS) der ETHZ und des PSI]
Mit ihrer Hilfe
lassen sich Geheimnisse der Hochtemperatur-Supraleitung erforschen: Einblick beim Bau der
Spallations-Neutronenquelle SINQ am PSI.
Eine Verbindung, die bei Raumtemperatur supraleitend ist davon kann man heute nur träumen. Denn obwohl die Fachleute von «Hochtemperatur-Supraleitung» sprechen, braucht es immer noch Temperaturen von tiefer als minus 140 Grad Celsius, damit eine Substanz den Strom verlustfrei leitet. Damit sind jedoch mögliche Anwendungen wie der verlustfreie Stromtransport über Hunderte von Kilometern heute noch nicht realisierbar. Wird es in Zukunft überhaupt Supraleitung bei Umgebungstemperatur geben?
Die Verwirklichung dieses Traumes bedarf genauer Kenntnisse der Mechanismen, die in Hochtemperatur-Supraleitern ablaufen. Zu diesem Zweck haben Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts in engem Kontakt mit dem Entdecker der Hochtemperatur-Supraleitung und Nobelpreisträger Alex Müller (IBM Zürich und Universität Zürich) Neutronenstreuexperimente durchgeführt, die einen tiefen Einblick in diese Materialien ermöglichen und völlig neue Erkenntnisse erbracht haben.
Die Ausgangsmaterialien sind isolierende Kupferoxid-Verbindungen, welche den elektrischen Strom nicht leiten. Man kann diese Verbindungen aber durch Dotieren mit Ladungsträgern (das sind entweder negativ geladene Elektronen oder Löcher, die positiv geladenen Analoga zu den Elektronen) «metallisieren».
Die Neutronenstreuexperimente haben nun gezeigt, dass sich die elektrischen Ladungsträger hier anders verhalten als in konventionellen Supraleitern. Bei kleiner Dotierung bleiben die Ladungsträger zunächst in einer Art Käfig eingesperrt. Wie rechts schematisch dargestellt ist, vereinigen sich diese Käfige bei erhöhter Ladungsträgerzahl zu einem zusammenhängenden Netzwerk, in dem sich nun die Ladungsträger frei bewegen können. Dadurch kommt unterhalb einer kritischen Temperatur die Supraleitung zustande, das heisst, es fliesst ein Strom ohne Widerstand. Im Fachjargon nennt man dieses Phänomen «perkolative Supraleitung», weil sich die Ladungsträger im Käfignetzwerk in genau derselben Art bewegen wie sich das Wasser in einem Kaffeefilter einen Weg durch das Kaffeepulver sucht (französisch «percolateur» = Kaffeefilter).
Diese Ergebnisse zeigen, dass die Hochtemperatur-Supraleitung im Gegensatz zu konventionellen Supraleitern auf dem inhomogenen Charakter des Materials beruht, was für das theoretische Verständnis des Supraleitungsmechanismus, der sogenannten Ladungsträgerpaarung von wesentlicher Bedeutung ist. Mit dem Ziel, letztlich auch diesen Effekt zu verstehen, sind weitere Untersuchungen der ETHZ-PSI-Gruppe an der neuen Spallationsneutronenquelle SINQ des PSI im Gange.
Albert Furrer
Albert Furrer ist Professor am gemeinsamen Laboratorium für Neutronenstreuung (LNS) der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts (PSI). Hier werden Neutronenstreuexperimente an der Spallations-Neutronenquelle SINQ durchgeführt. Neben der Hochtemperatur-Supraleitung werden auch das Gebiet des Magnetismus sowie generell interessante Materialien für verschiedenste Anwendungen (Superionenleiter, Wasserstoffspeicher, optische Speicher, Zeolithe, dünne Schichten) intensiv erforscht. Die SINQ steht aber auch anderen interessierten in- und ausländischen Forschungsgruppen als sogenanntes Benützerlabor zur Verfügung, wobei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LNS aktiv mitwirken. Es wird erwartet, dass in den nächsten Jahren 500 externe Forschende die erstklassigen Möglichkeiten der SINQ nutzen werden.
unipressedienst
Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 06.01.98