Mit über 3 Millionen Exemplaren gehört das Herbarium zu den grössten Hochschulherbarien der Welt. Jährlich werden auch Tausende Exemplare aus dem Zürcher Herbar an botanische Institutionen in der ganzen Welt für wissenschaftliche Arbeiten ausgeliehen.
Ganz links: Digitalis purpurea (Roter Fingerhut). Gesammelt von Johannes Gessner (1709-1790) im Jahr 1751. J. Gessner war der GrŸnder der Naturforschenden Gesellschaft in ZŸrich und ausserdem der GrŸnder des Botanischen Gartens. Dieser Herbar-Beleg ist 246 Jahre alt und behŠlt seine Farbe in unserer Sammlung. Links: Helichrysum barorum (eine Strohblumen-Art) aus Bara, Madagaskar. Gesammelt von H. Humbert, 1924.
Herbarien sind Schatzkammern, in denen viele komplexe Daten gespeichert sind. Sie bilden die Basis fŸr die Untersuchung der PflanzendiversitŠt unseres Planeten. Sie erlauben Studien zur Struktur, VariabilitŠt und Verbreitung von Pflanzengruppen. Auch Feinstrukturen, Inhaltsstoffe und Gene kšnnen dabei untersucht werden. Nicht zuletzt sind sie unentbehrlich fŸr rasche Pflanzenidentifikationen.
Das ZŸrcher Herbarium wurde zusammengelegt aus den beiden Sammlungen von UniversitŠt und ETH, die sich dabei ergŠnzten: Das Herbar der UniversitŠt war von Anfang an weltweit ausgerichtet, wobei zunŠchst eine Sammlung aus SŸdwestafrika, spŠter eine weitere aus Neukaledonien wichtige Kerne bildeten. Die Sammlung der ETH war dagegen mehr auf Europa ausgerichtet. Eine zweite KomplementaritŠt ergab sich daraus, dass die UniversitŠt sich vor allem auf hšhere Pflanzen konzentrierte, die ETH dagegen auf niedere Pflanzen und Pilze.
Ziel der Systematik ist die AufklŠrung der Phylogenie der Pflanzen und der Evolution der biologischen Besonderheiten der verschiedenen Pflanzen. Ein naturnahes System erlaubt die verlŠsslichsten Voraussagen Ÿber Eigenschaften und Inhaltsstoffe neuer und nicht untersuchter Pflanzen, bei denen die nŠchsten Verwandten schon besser bekannt sind.
Nur mit grossen Sammlungen sind auch Arbeiten an gršsseren Gesamtdarstellungen mšglich, wie sie in den letzten Jahren am Institut fŸr Systematische Botanik erarbeitet wurden.
Moderne Systematik ist dabei nicht rŠumlich beschrŠnkt, sondern sie konzentriert sich auf die Arbeit mit in sich geschlossenen Abstammungseinheiten (monophyletischen Gruppen), die unter UmstŠnden weltweit zerstreut sein kšnnen. Diese Arbeitsweise entspricht einer schweizerischen Tradition, hatte sich doch die Schweiz als kleines Land ohne Kolonien in der geographischen Ausrichtung ihrer Forschungsprojekte auf der Weltkarte nie festlegen lassen.
Es versteht sich von selbst, dass in einem weltweit ausgerichteten Herbar auch die Flora der Heimregion besonders gut vertreten ist. So kommt es, dass die ZŸrcher Sammlungen als Grundlage fŸr zwei wichtige Schweizer ÇFlorenÈ dienten, fŸr Werke, in denen alle Pflanzenarten der Schweiz in Kurzbeschreibungen und mit BestimmungsschlŸsseln behandelt sind. In der ersten HŠlfte dieses Jahrhunderts war dies das Kompendium von Hans Schinz an der UniversitŠt und in der zweiten jenes von Hans E. Hess und Elias Landolt an der ETH.
Links: Nymphaea pringlei
(Pringl's Seerose) aus Lake Xochimilico, Mexiko. Gesammelt von C. G. Pringle, 1896. 1991
stellte J. H. Wiersema fest, dass diese Art nur ein Synonym von Nymphaea odorata ist
trotzdem bleibt es ein Typus. Mitte: Nymphaea sulphurea (Schwefelfarbene Seerose) aus Kunene, SŸdwest-Afrika. Gesammelt von H. Baum, 1899. Rechts: Helichrysum boormanii (eine Strohblumen-Art) aus Boonoo Boonoo, New South Wales, Australien. Gesammelt 1904 von J. L. Boorman und nach ihm benannt. |
Heute ist die Systematik der Organismen im Umbruch begriffen. Einerseits ermšglicht die Computertechnologie die Verarbeitung von riesigen Datenmengen; mit speziellen Programmen zur Datenanalyse kšnnen viel detaillierter als frŸher phylogenetische ZusammenhŠnge erarbeitet werden. Andererseits kšnnen mit neuen molekularen Techniken Genstrukturen zur VerwandtschaftsaufklŠrung benutzt werden. Die molekulare Systematik bildet heute eine nicht mehr wegzudenkende ErgŠnzung der klassischen Methoden. Bei den Pflanzen wird dabei die Struktur von Genen untersucht und verglichen. Gene sind so stabil, dass sie oft noch in Herbarpflanzen, an getrocknetem Material, untersucht werden kšnnen. Somit haben Herbarpflanzen eine Šusserst wichtige zusŠtzliche Bedeutung bekommen.
Molekulare Systematik wird an der UniversitŠt ZŸrich bald durch eine Professur in der Botanik vertreten sein. Diese Professur wird im neuen Schwerpunkt ÇMolekularbiologie und BiodiversitŠtÈ in der Biologie der UniversitŠt eine wichtige Rolle spielen.
Neueste molekularsystematische Analysen weisen darauf hin, dass die urtŸmlichste lebende BlŸtenpflanze eine Baumart aus Neukaledonien ist: Amborella trichopoda (Douglas Soltis et al. 1997). Dank dem erwŠhnten Neukaledonienschwerpunkt des Herbars in ZŸrich wird die Pflanze in einem Forschungsprojekt des Instituts untersucht. Besonders spektakulŠr als Çlebendes FossilÈ ist auch die Gattung Takhtajania aus der ebenfalls primitiven Familie der Winteraceae. Sie galt seit neunzig Jahren als ausgestorben, wurde aber soeben in Madagaskar wiederentdeckt. Auch sie wird jetzt von einer internationalen Gruppe untersucht, an der ZŸrcher Forscher beteiligt sind.
Archiv zur Erforschung der weltweiten PflanzendiversitŠt und Evolution. Die 1992 vereinigten Herbarien der UniversitŠt und der ETH werden gemeinsam von beiden Hochschulen betreut und unterstehen der Direktion des Instituts fŸr Systematische Botanik der UniversitŠt.
Die Untersuchungen in der Botanik an der UniversitŠt umfassen systematisch-škologische Aspekte von Wasserpflanzen (Professor Christopher D. K. Cook), Systematik der Farne (Professor K. U. Kramer), morphologisch-evolutive Aspekte der basalen BlŸtenpflanzen (Professor P. K. Endress), strukturelle Aspekte hochspezialisierter Wasserpflanzen (Dr. Rolf Rutishauser). An der ETH werden verschiedene Pilzgruppen weltweit systematisch untersucht (Professor Egon Horak).
Am Institut fŸr Systematische Botanik wurde in den letzten Jahren an grossen internationalen Gesamtdarstellungen von Pflanzengruppen oder von Floren mitgearbeitet: Karl U. Kramer, J. Jakob Schneller und Eckhardt Wollenweber, ÇFarne, Bau, Systematik und BiologieÈ (1995). Christopher D. K. Cook, ÇAquatic Plant BookÈ, ed. 2 (1996) und ÇAquatic and Wetland Plants of IndiaÈ (1996). Peter K. Endress, ÇDiversity and Evolutionary Biology of Tropical FlowersÈ, ed. 2 (1996). Bearbeitung von Farnen und zahlreichen Familien der BlŸtenpflanzen im vielbŠndigen Werk ÇFamilies and Genera of Vascular PlantsÈ (1990 und 1993) durch Karl U. Kramer, Christopher D. K. Cook, Peter K. Endress, Rolf Rutishauser und J. Jakob Schneller; ebenso Bearbeitung von Algengruppen in entsprechenden phykologischen Werken (Hans Rudolf Preisig).
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Pressestelle der UniversitŠt ZŸrich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98