Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Hauttransplantate aus Bioreaktor

s55-web.jpg (26692 Byte)Hier entsteht die neue Haut: KERATOR mit einer Wachstumskammer.

Seit einigen Jahren ist es möglich, die Zellen der menschlichen Oberhaut, sogenannte Keratinocyten, im Labor zu vermehren. Aus der Pionierarbeit von J. G. Rheinwald und H. Green am MIT in Boston wurde eine Routinezüchtung der Keratinocyten sowohl für die Forschung, wie auch für die Hauttransplantationen bei Schwerstverbrennungen. Bei diesen werden patienteneigene Zellen gezüchtet. In drei bis vier Wochen werden die Zellen in Kulturgefässen 10 000fach zur Oberhaut, der sogenannten Epidermis, vermehrt. Danach wird diese an die Wundstelle übertragen. Die Zellen wachsen an und die Wunde heilt in etwa zehn bis fünfzehn Tagen.

Warum wird diese im Prinzip fantastische Methode noch nicht im medizinischen Alltag angewendet? Zwei Gründe sind zu erwähnen: Extrem hohe Kosten (etwa $100 000/m2) und eine lange Herstellungszeit (drei bis vier Wochen). Unser Projekt will die Produktionskosten und die Transplantationszeit reduzieren. Da wir am Laboratorium für Technische Chemie seit langem Bioreaktoren entwickeln und modellieren, entstand das Konzept des KERATOR – eines automatisierten Flachmembran-Reaktors. Unsere Idee wurde mit Enthusiasmus an der Klinik für Wiederherstellungschirurgie aufgenommen und daraufhin ein gemeinsames Projekt ausgearbeitet.

Der KERATOR besteht aus mehreren zusammengesetzten Wachstumskammern. Auf dem Boden jeder Kammer liegt ein dünner (etwa 0,01 Millimeter) inerter Polymerfilm, an welchem die Zellen aus der Vorkultur anhaften und sich weiter vermehren. Die Vorkultur wird aus einem gesunden Stück Haut des Patienten nach der Rheinwald-Green-Methode vorbereitet. Alle Reaktorfunktionen sind computergesteuert und voll automatisiert. Die Kultur wird kontinuierlich und online überwacht. In einem Modul mit sieben Kammern können etwa ein halber Quadratmeter Hauttransplantate auf einmal produziert werden.

Kurz bevor die Zellen die ganze Filmfläche lückenlos bedecken, wird das Kammermodul ins Spital zur Transplantation gebracht. Dort werden passende Stücke des Polymerfilms zugeschnitten und mit der Zellschicht nach unten auf die Wunde gelegt. Wegen der hohen Reissfestigkeit der Kunststoffolie ist die Handhabung des Transplantates einfach. Die Folie dient als Zellträger und mechanischer Wundschutz; gleichzeitig reguliert sie den Wärmehaushalt und wirkt als Keimbarriere. Nach zehn bis zwölf Tagen wird aus der einen Zellschicht eine neue Oberhaut und die Folie lässt sich problemlos abnehmen.

Eine Zeitersparnis von bis zu zehn Tagen wird dadurch gewonnen, dass, im Gegenssatz zur klassischen Mehrzellschicht-Technik, nur die erste Zellschicht anwachsen muss. Diese basalen Zellen sind hoch vermehrungsfähig und haften gut an der Wundoberfläche. Ein angenehmer Nebeneffekt der Membrane ist, dass die Patienten nach der Deckung der Wunde weitgehend schmerzfrei sind.

Diese Methode ist sehr gut geeignet bei Verbrennungen zweiten Grades, bei denen noch ein Teil der Unterhaut vorhanden ist. Im Fall von schweren drittgradigen Verbrennungen fehlt Unterhaut gänzlich, und die Anwendung ist erschwert.

Sicherlich bleiben noch viele Fragen technischer und zellbiologischer Natur zu beantworten. Der KERATOR stellt aber einen neuen Ansatz dar, der sich gut bewährt hat und dessen Bedeutung weit über die Keratinocyten hinaus geht. Nach Bedarf können darin auch andere menschliche Zellen oder Zellgewebe sehr einfach gezüchtet und geerntet werden. Eine miniaturisierte Version wird für die Transplantat-Therapie von kleinen chronischen Wunden in Zusammenarbeit mit der Dermatologischen Klinik vorbereitet.

Jiri E. Prenosil


Im Zusammenhang mit der Entwicklung des KERATOR arbeitet Dr. Jiri Prenosil, Laboratorium für Technische Chemie, ETH Zürich, interdisziplinär zusammen mit den Gruppen von Professor Viktor E. Meyer, Klinik für Wiederherstellungschirurgie, Universitätsspital Zürich, und Professor Günter Burg, Dermatologische Klinik und Poliklinik, ebenfalls Universitätsspital. Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98