Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Wissen im Grenzbereich

s47-1-web.jpg (20658 Byte)Grosses organisches Molekülkation im Inneren des Zeoliths Y. Dieses nanoporöse Material wirkt als heterogener Photosensibilisator. Die Synthese neuer Zeolithe mit speziellen Porengrössen und -formen sowie die Entwicklung neuer Strukturbestimmungsmethoden sind ein Schwerpunkt am Laboratorium für Kristallographie.

Was haben ein Glasschneider mit Diamantspitze und ein Bleistift gemeinsam? Diamant und Graphit bestehen beide aus reinem Kohlenstoff, allerdings mit unterschiedlicher chemischer Bindung und Kristallstruktur. Dies ist entscheidend für die sehr unterschiedlichen Eigenschaften beider Stoffe. Kristallographie als Wissenschaft untersucht Zusammenhänge dieser Art, zwischen chemischer Zusammensetzung und Kristallstruktur sowie physikalischen und chemischen Eigenschaften. Die Doppelprofessur für Kristallographie hält Professor Walter Steurer inne.

Kristallographische Forschung wird von Physikern und Physikerinnen, Chemikern, Mathematikern, Mineralogen, Molekularbiologen und Materialwissenschaftlern bzw. -wissenschaftlerinnen betrieben. Einige davon verstehen sich selbst als Kristallographen, nur wenige jedoch gehören zu kristallographischen Instituten. Typische Fragestellungen sind beispielsweise: In der Molekularbiologie die Aufklärung der Kristallstruktur und der damit verbundenen Funktion biologischer Makromoleküle, von Proteinen bis zu Viren. Bei den Materialwissenschaften das Studium der Materialeigenschaften als Funktion von Ideal- und Realstruktur. Bei den Erdwissenschaften der Rückschluss vom Realbau von Mineralkristallen auf Prozesse, die bei der Gesteinsbildung abgelaufen sind. In der Festkörperchemie die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen chemischer Zusammensetzung und sich ausbildender Kristallstruktur. Und in der Festkörperphysik die Erforschung der Abhängigkeit physikalischer Eigenschaften von der Idealstruktur.

Das Laboratorium für Kristallographie (LfK) ist an der ETH Zürich angesiedelt. Eine Doppelprofessur für Kristallographie wird von der Universität mitgetragen. Die erlaubt den Studierenden beider Hochschulen einen einfachen Zugang zur Lehre in diesem Gebiet. An der Universität Zürich besteht die Möglichkeit, ein Diplom in Kristallographie zu erwerben. Professuren für Kristallographie biologischer Makromoleküle sind anderen Instituten an Universität und ETHZ zugeordnet.

Bei der Forschung am Laboratorium für Kristallographie geht es um Struktur und Eigenschaften neuer ungewöhnlicher Materialien (Quasikristalle, Zeolithe, siehe Abbildung), um strukturelle Veränderungen unter extremen Druck- und Temperaturbedingungen. Dafür werden neue Methoden, Experimentiertechniken und Apparaturen entwickelt sowie Messungen an internationalen Grossforschungseinrichtungen durchgeführt. Die Visualisierung grosser Datenmengen und Computer-Modellierung komplexer Strukturen spielen eine wichtige Rolle bei Auswertung und Interpretation der Experimente. Das Ziel all dieser Untersuchungen ist es, mehr über die Selbstorganisation der Materie zu erfahren und das erworbene Wissen letztlich auch für die praktische Anwendung nutzbar zu machen.

Walter Steurer


Walter Steurer (11203 Byte) Walter Steurer wechselte nach seinem Chemiestudium an der Universität Wien 1980 an die Universität München, wo er sich 1987 auf dem Gebiet der Kristallographie und Mineralogie habilitierte. Nach einem kurzen Intermezzo als Professor für Kristallographie an der Universität Hannover ist er seit Herbst 1993 als Professor für Kristallographie an ETH und Universität Zürich tätig. Sein Hauptinteresse gilt gegenwärtig aperiodischen Kristallen und deren Phasenumwandlungen.

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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98