Magazin der Universität Zürich Nr. 3/97

Blaue Listen machen Mut

Schwertlilie (18158 Byte) Skabiosen-Scheckenfalter (16322 Byte) Zwei gefährdete, einheimische Arten, deren Überleben gesichert werden kann: Die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) steht bereits auf der Blauen Liste, und der Skabiosen-Scheckenfalter (Eurodryas aurinia) ist ein möglicher Kandidat.

(Bilder H. Sigg und H. Wildermuth)

Die immer wiederkehrenden negativen Meldungen über den Zustand der Natur wirken meist wenig motivierend: Viele Menschen werden mit der Zeit eher entmutigt, sich für Natur und Umwelt einzusetzen. Ein bekanntes Beispiel sind die in der Naturschutzarbeit sehr wichtigen Roten Listen der gefährdeten oder ausgestorbenen Arten. Das Projekt «Blaue Listen» startete mit der Frage, ob es nicht auch gefährdete Arten gebe, denen «es wieder besser gehe», und wie es mit Erfolgen im Naturschutz stehe.

Der Schweizerische Wissenschaftsrat finanzierte das Projekt, das 1993 startete, im Rahmen des Technology Assessment Programms. Beteiligt daran waren Regula Langenauer von der Pflanzenökologie und Claude Meier von der Tierökologie. Vier Ziele wurden formuliert: Erarbeitung einer Methode, mit welcher Erfolge in der Erhaltung oder gar Förderung gefährdeter Arten standardisiert erfasst werden können. Erprobung der Methode in einem Testgebiet (Kantone Aargau, Schaffhausen und Zürich). Entwicklung eines Instrumentes, mit dem sich Naturschutzerfolge rasch und übersichtlich darstellen lassen. Zusammenstellung der Natur- und Umweltschutztechniken, mit welchen die einzelnen Arten gefördert werden können.

Entstanden sind die Blauen Listen, in denen jene Arten aus den Roten Listen verzeichnet sind, deren Bestand sich im Testgebiet gesamthaft stabilisiert oder sogar erhöht hat. Begutachtet wurden die 722 Rote-Liste-Arten (RL-Arten) der insgesamt 1624 Arten von Farn- und Blütenpflanzen, welche im Testgebiet vorkommen, sowie die 217 RL-Arten der insgesamt 482 Arten von Wirbeltieren, Tagfaltern, Heuschrecken und Libellen. Etwa ein Drittel der genannten Arten der Roten Listen ist auch in den Blauen Listen vertreten, wobei die bereits ausgestorbenen Arten nicht miteingerechnet sind.

Viele RL-Arten konnten ihre Bestände in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren vor allem deshalb stabilisieren oder vergrössern, weil geeignete Natur- und Umweltschutztechniken angewendet wurden. Für je ein weiteres Viertel der RL-Arten sind im Testgebiet Förderungstechniken lokal bereits erfolgreich erprobt worden bzw. wenigstens bekannt. Beispiele von Natur- und Umweltschutztechniken sind: wasserbauliche Massnahmen, jährliche Sommermahd bestimmter Wiesentypen, Anlegen extensiv bewirtschafteter Ackerrandstreifen sowie Stehenlassen von Spechtbäumen.

Die Untersuchungen ergaben, dass die im Naturschutz geleistete Arbeit und die aufgewendeten finanziellen Mittel beachtliche Erfolge hervorgebracht haben. Eine Fortführung des Einsatzes ist aber nötig, um das Erreichte zu erhalten und die Bestandesabnahme bestimmter Arten aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Dieser weitere Einsatz dürfte erfolgreich sein, denn das Know-how für die Erhaltung oder Förderung von 80 Prozent der gefährdeten Arten der bearbeiteten Gruppen ist im Testgebiet vorhanden.

Die Blauen Listen zeigen also, dass Naturverluste nicht zwingend sind, sondern dass es auch Erfolge und Erfolgsmöglichkeiten gibt. Diese können dazu beitragen, das Engagement für den Schutz der Natur zu stärken.

Andreas Gigon


Seit etwa 15 Jahren arbeiten Professor Andreas Gigon, Pflanzenökologie und Naturschutzbiologie, Geobotanisches Institut der ETH Zürich, und Professor Bernhard Nievergelt, Wildforschung und Naturschutzökologie, Zoologisches Institut der Universität Zürich, zusammen. Aufeinander abgestimmte, teils sogar gemeinsame Vorlesungen über Ökologie und Naturschutz werden abgehalten und neun Diplom- und Doktorarbeiten im Bereich Wild und Vegetation wurden gemeinsam betreut. Nach Ansicht der Autoren sind neben dem gemeinsamen Interesse gute Kommunikation und die Pflege freundschaftlicher Beziehungen entscheidende Voraussetzungen für das Gelingen einer Zusammenarbeit.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 09.01.98