Die seit über 100 Jahren zu beobachtende Zunahme der Konzentrationen von Spurengasen in der Atmosphäre, welche die Infrarotrückstrahlung der Erde behindern und damit zum Treibhauseffekt beitragen, beunruhigt die Klimaforscher stark. Zu diesen klimawirksamen Gasen zählen neben den anthropogenen Chlorfluorkohlenstoffverbindungen (CFC) vor allem Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid (Lachgas). Diese sind weitgehend biologischen Ursprungs und werden von Mikroorganismen freigesetzt.
Diese Spurengase sind gasförmige Komponenten der biogeochemischen Zyklen von Kohlenstoff und Stickstoff. Zudem kommen in der Atmosphäre auch Spurengase aus dem Schwefelzyklus vor. In solchen biogeochemischen Zyklen (siehe Figur 1) wird das Verhalten einzelner chemischer Elemente auf dem Weg durch die unbelebte und belebte Natur verfolgt und quantifiziert.
Figur 1: Kohlenstoffkreislauf: Zahlenangaben in 109 Tonnen/Jahr.
Es ist zuwenig bekannt, dass der Hauptteil der Spurengase, die den Treibhauseffekt verstärken, aus mikrobiologischen Vorgängen stammt. Diese Prozesse werden allerdings stark durch menschliche Aktivitäten beeinflusst. Kohlendioxid ist neben Wasserdampf mengenmässig das wichtigste Treibhausgas (Tabelle 1).
Tabelle 1: Globale Emissionen aus natürlichen Quellen und aus menschlicher Tätigkeit (Tg*/Jahr)
Gas | natürlich | menschliche Tätigkeit |
---|---|---|
Kohlendioxid | 600 000 | 22 000 |
Kohlenmonoxid | 3 800 | 550 |
Methan | 1 600 | 110 |
andere Kohlenwasserstoffe | 2 600 | 90 |
Ammoniak | 1 200 | 7 |
Stickoxide | 770 | 53 |
Distickstoffoxid | 145 | 4 |
Schwefeldioxid | 20 | 150 |
* = Teragramm = 1012 g | ||
Durch die Photosynthese werden jedes Jahr weltweit etwa 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Pflanzenmaterial fixiert (Figur 1). Beim Abbau dieser Biomasse vor allem durch Mikroorganismen wird die gleiche Menge an Kohlendioxid wieder frei. Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe verändert der Mensch durch die anteilmässig kleine zusätzliche Zufuhr von Kohlendioxid dieses durch biologische Vorgänge gegebene Gleichgewicht. Dies führte zum Anstieg der Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre von 280 ppm in der vorindustriellen Zeit auf den heutigen Wert von 350 ppm.
Ein Gas ist dann als Treibhausgas wirksam, wenn es im Emissionsbereich der terrestrischen Abstrahlung (Wärmestrahlung) absorbiert und sein Absorptionsspektrum nicht von demjenigen des in der Atmosphäre dominierenden Wasserdampfesüberlagert ist.
Dass verschiedene, heute als Treibhausgase erkannte Spurengase diese Bedingungen erfüllen, ist schon lange bekannt. So stammt die Hypothese, dass die Lufthülle für die Erde als Treibhaus wirke, von Fourier (1827), und Tyndall zeigte um 1860 experimentell, dass Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid Infrarotstrahlung 100- bis 400mal stärker absorbieren als Luft. Arrhenius schliesslich sagte 1896 mit umfangreichen Rechnungen einen zu erwartenden Temperaturanstieg oder -abfall voraus, falls sich die Kohlendioxidkonzentration erhöhen oder erniedrigen würde. Es ist eigentlich erstaunlich, dass diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht früher zu entsprechenden politischen Handlungen führten.
Auch Methan ist ein Glied im Kohlenstoffzyklus, welches beim vollständigen anaeroben mikrobiellen Abbau von organischem Material entsteht. Es wurde vor gut 200 Jahren als der brennbare Bestandteil des Sumpfgases durch die Naturforscher Volta und Ingen-Housz beschrieben. Die global wichtigsten Quellen sind Sümpfe und Moore,überflutete Reisfelder, Pansen von Wiederkäuern, Termiten und Abfalldeponien. Anthropogene Quellen von Methan machen nur etwa 10 Prozent der Emissionen aus, zum Beispiel die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen und Verluste an Erdgas bei der Erdölgewinnung. Vor einigen 100 Jahren betrug die Konzentration in der Atmosphäre etwa 0,6 ppm; heute ist die Methankonzentration auf fast das Dreifache angestiegen. Die Zunahme des atmosphärischen Methans korreliert gut mit der Wachstumsrate der menschlichen Bevölkerung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass parallel zum Wachstum der menschlichen Bevölkerung eine Vermehrung der Reisanbauflächen, der Rindermast, der Erdölförderung und der Abfalldeponien erfolgte.
Zu den atmosphärischen Komponenten des Stickstoffkreislaufs gehören die Gase Distickstoff, die Hauptkomponente der Luft, die verschiedenen Stickoxide und Ammoniak. Von diesen wirkt das ungiftige und wenig reaktionsfähige Lachgas oder Distickstoffoxid als starkes Treibhausgas. Wie andere Stickoxide entsteht es auch bei Verbrennungsprozessen. Wesentlich mehr Distickstoffoxid wird aber durch die mikrobiologischen Vorgänge der Denitrifikation und Nitrifikation in die Atmosphäre freigesetzt.
Von den drei klimawirksamen Gasen Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid sind die beiden letzten zwar in wesentlich geringerer Konzentration als Kohlendioxid vorhanden, sie vermögen bei gleicher Konzentration aber den Wärmehaushalt der Erde deutlich stärker zu beeinflussen als Kohlendioxid. Die Methankonzentration in der Atmosphäre steigt zudem schneller an als diejenige von Kohlendioxid. Die Bedeutung von Distickstoffoxid bezüglich seiner Klimawirksamkeit ist vor allem auf die lange Verweilzeit in der Atmosphäre zurückzuführen (Tabelle 2).
Tabelle 2: Wirkung verschiedener Spurengase auf den Treibhauseffekt
Gas | Grösse des vorindustrielle Strahlungsrückhalt in der Atmosphäre | jährliche Konzentration (ppm) | Lebenszeit Konzentration (ppm) | prozentuale Zunahme (%) | in Atmosphäre (Tage) |
---|---|---|---|---|---|
Kohlendioxid | 1 | 275 | 345 | 0,4 | 2500 |
Methan | 25 | 0,75 | 1,65 | 1,0 | 3600 |
Lachgas | 250 | 0,25 | 0,35 | 0,2 | 60 000 |
Werden die bisher diskutierten Vorgänge der Bildung von atmosphärischen Spurengasen als Regelkreis aufgezeichnet (Figur 2), wird deutlich, dass es Rückkopplungsmechanismen gibt, die eine biologische Gasfreisetzung stimulieren bzw. reduzieren können. Sowohl für die Kohlendioxid-Freisetzung wie die Methanemission wurde eine positive Beziehung zur Bodentemperatur gefunden.
Figur 2: Schematische Darstellung der Beziehungen zwischen der Bildung atmosphärischer Spurengase und der Temperatur der Atmosphäre (Regelkreise).
Ein solches System ist ungeregelt und kann sich aufschaukeln. Ohne eine drastische Reduktion der Gasemissionen kann damit die prognostizierte Erderwärmung kaum abgewendet werden.
Tabellen, die globale Emissionen dieser Gase auflisten, zeigen immer grosse Schwankungsbreiten. Es ist sehr schwierig, aus einzelnen Punktmessungen (räumlich und zeitlich) zu gesicherten globalen Schätzungen der Emission zu kommen. Von vielen Gebieten liegenüberhaupt keine Messwerte vor, oder Messreihen sind einseitig auf einzelne Jahreszeiten beschränkt. Erst seit kurzem ist bekannt, dass Böden auch unter einer Schneedecke biologisch aktiv sind und zum Beispiel Lachgas abgeben. Figur 3 zeigt das Konzentrationsprofil von Lachgas in der etwa 55 Zentimeter dicken Schneedecke an einem voralpinen Standort.
Figur 3: Mittlere Lachgaskonzentrationen in der Schneedecke (Schweizer Voralpen, Februar 1996, Dissertation J. Mohn, Universität Zürich).
Aus diesem Konzentrationsgradienten wird deutlich, dass die Mikroorganismen im Boden auch im Winter aktiv sind. Aus der Steilheit des Gradienten lässt sich anschliessend die Rate der Freisetzung pro Fläche berechnen.
Im Schwefelzyklus entstehen durch die Aktivität der Mikroorganismen ebenfalls Spurengase. Die weltweiten Emissionen sind in der gleichen Grössenordnung wie für Methan und Lachgas. Trotzdem finden sich Schwefelgase kaum in der Luft, da sie wesentlich reaktiver als Methan oder Distickstoffoxid sind und daher ihre Verweilzeit in der Atmosphäre nur wenige Tage beträgt. Aus dem anaeroben Abbau entstehen neben Schwefelwasserstoff auch organische Verbindungen wie Methanthiol, Dimethylsulfid, Dimethylsulfoxid, Dimethyldisulfid, Schwefelkohlenstoff oder Carbonylsulfid. Viele dieser Verbindungen sind im Tiefenwasser anaerober Gewässer zu finden. Figur 4 zeigt Konzentrationsprofile einiger solcher Schwefelverbindungen im Wasser des Cadagnoses in den Südalpen.
Figur 4: Profil der flüchtigen Schwefelverbindungen im Wasser des Cadagnosees TI (Dissertation M. Fritz, Universität Zürich).
Während Methanthiol im Tiefenwasser angereichert ist, zeigt Schwefelkohlenstoff eineüber die gesamte Tiefe gleichmässige Verteilung. Dimethyldisulfid zeigt ein Maximum in 13 Meter Tiefe; es ist das Stoffwechselprodukt der sich dort befindenden Mikroorganismen.
Mengenmässig ist weltweit vor allem Dimethylsulfid von Bedeutung. Gewisse Meeresalgen produzieren diese flüchtige Verbindung in jährlichen Mengen von 0,1 bis 1,0 g/m2. Die Verbindung oxidiert in der Atmosphäre rasch zu Schwefeldioxid, dem Gas, das auch bei der Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen entsteht. Durch die Oxidation von Dimethylsulfid entstandenes Schwefeldioxid verursacht an der Westküste von England beispielsweise sauren Regen mit einem Säurewert von 3,5.
Schwefeldioxid hat einen starken Einfluss auf den Energiehaushalt der Atmosphäre. Als Aerosol wirkt es tröpfcheninduzierend und begünstigt damit die Wolkenbildung. Erst seit kurzem ist aus Satellitenbeobachtungen klar geworden, dass Wolkenbildung gesamthaft in der Regel abkühlend auf die Erdatmosphäre wirkt. Bildung von Dimethylsulfid durch Meeresplankton dürfte sich daher negativ auf den Strahlungshaushalt der Erde auswirken. Für das Temperatur/Strahlungs-Regelsystem Erde (S) stellt die mikrobiologische Bildung von Dimethylsulfid eine negative Rückkopplung dar. Eine durch Klimagase verursachte Erwärmung führt zu vermehrter Dimethylsulfid-Freisetzung und damit auch Wolkenbildung und reduziert somit durch einen verringerten Energieeintrag die Temperaturerhöhung. So sollen 10 Prozent mehr Dimethylsulfid-Abgabe die Energieeinstrahlung um 1 Watt pro Quadratmeter verringern. Haben hier die Mikroorganismen selbst den Schlüssel gefunden, eine durch den Menschen in Gang gesetzte Klimakatastrophe zu verhindern?
Die angeführten Spurengase spielen bei den heutigen Klimaveränderungen eine wichtige Rolle. Mikroorganismen können aber auch wichtig sein als Senke für Gase. Sowohl Methan wie Distickstoffoxid werden unter gewissen Umgebungsbedingungen durch Mikroorganismen wieder aufgenommen und der Atmosphäre entzogen. Vielleicht könnte durch eine Stimulierung dieser Prozesse eine Verringerung der Zunahme klimawirksamer Spurengase erreicht werden.
Dr. Reinhard Bachofen (bachofen@botinst.unizh.ch) ist ordentlicher Professor am Institut für Pflanzenbiologie der Universität Zürich.
unipressedienst Pressestelle der Universität Zürich
Felix Mäder (fmaeder@zuv.unizh.ch)
http://www.unizh.ch/upd/magazin/3-96/
Last update: 3.10.1996