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Die Kunst des Lächelns

Strahlend, triumphierend, falsch, sanft, arrogant, schüchtern, bezaubernd, hinreissend: Die Vielfalt der Bezeichnungen macht deutlich, wie vielschichtig Lächeln ist. Warum lächeln wir? Die Emotionsforschung hat in den letzten Jahren begonnen, dieses alltägliche und vertraute Phänomen unter die Lupe zu nehmen.

VON EVA BÄNNINGER-HUBER

Mona Lisa (23614 Byte)Das Lächeln der Mona Lisa. Was in die Kunstgeschichte eingegangen ist, wird heute
als «gestellt» klassifiziert.

Lächeln ist eines der wichtigsten und häufigsten mimischen Signale der zwischenmenschlichen Kommunikation. Es dient der Kontaktaufnahme und spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer emotionalen Beziehung mit einem andern Menschen. Besonders bedeutsam ist Lächeln in frühen Pflegeperson-Kind-Interaktionen, da für den Säugling das nichtsprachliche Verhalten die einzige Form der Kommunikation darstellt.

Lächeln kann bereits kurz nach der Geburt beobachtet werden. Die Pflegeperson reagiert auf das Lächeln des Kindes in aller Regel ebenfalls lächelnd, durch das gemeinsame Lächeln werden zärtliche Zuneigung und zwischenmenschliche Bindungen gestärkt. Lächeln hat – besonders auch in dieser frühen Lebensphase – eine verhaltenssteuernde Wirkung. Es signalisiert der Mutter, dass ihre Fürsorge für das Kind angenehm ist und fortgeführt werden soll: Das strahlende Lächeln des Säuglings belohnt die Eltern für all die Mühe, die sie mit der Pflege ihres Kindes auf sich nehmen.

Soziales Signal

Jede Kultur hat gewisse Regeln dafür, in welchen Situationen ein Lächeln angezeigt ist – davon unabhängig wird es auf der ganzen Welt verstanden als Ausdruck positiver Gefühle etwa von Freude, Zufriedenheit, Humor oder Stolz. Es kann auch ein Zeichen dafür sein, dass jemand etwas verstanden oder eine Aufgabe gelöst hat. So lächelt ein Kind, wenn es begreift, dass das Licht angeht, wenn es auf den Schalter drückt.

Ist aber jedes Lächeln spontaner Ausdruck eines angenehmen Gefühls? Es ist anzunehmen, dass bei Erwachsenen der Gesichtsausdruck die zugrunde liegenden Emotionen nicht mehr so unmittelbar widerspiegelt, wie dies bei Kleinkindern der Fall ist. Durch Erziehung und kulturell-soziales Umfeld haben wir gelernt, unsere Mimik zu kontrollieren. So kann Lächeln bewusst als soziales Signal eingesetzt werden, etwa als Entschuldigung dafür, wenn man jemanden angerempelt hat oder um eine positive Atmosphäre zu schaffen. Das wissen viele Frauen, die beruflich lächeln müssen, sei es als Krankenschwester, Stewardess oder Sekretärin.

Lächeltypen

Angelernte, gesellschaftskonforme Lächeltypen gibt es in allen Kulturkreisen. Sie sehen jedoch verschieden aus, so dass die meisten Menschen diese verschiedenen Arten von Lächeln intuitiv richtig zu deuten vermögen und entsprechend darauf reagieren. Die Grundform des Lächelns wird in der Forschung definiert als eine beobachtbare Bewegung des Zygomaticus-major-Muskels, als ein Anheben der Mundwinkel. Diese Muskelbewegung hat schon Leonardo da Vinci beobachtet und als klassisches Lächeln der Mona Lisa festgehalten.

Die Emotionsforschung hat in den letzten Jahren differenzierte Methoden entwickelt, um die Mimik in zwischenmenschlichen Interaktionen detailliert zu analysieren. Mit dem «Facial Action Coding System» kann man alle beobachtbaren Muskelbewegungen im Gesicht auf 1/50 Sekunde genau erfassen. So konnten inzwischen über 15 unterschiedliche Lächeltypen definiert werden. Das spontane, unwillkürliche Lächeln beispielsweise, das Freude, Glück, Zufriedenheit oder Stolz ausdrückt, unterscheidet sich von einem gestellten Lächeln unter anderem dadurch, dass beim Lächeln um die Augen herum kleine, auch als «Krähenfüsse» bekannte Fältchen entstehen und die Wangen hochgezogen werden. Mit dem maskierenden Lächeln versucht eine Person, oft unbewusst, negative Affekte zu verstecken, abzuschwächen oder zu kontrollieren, um eine negative Emotion in einer sozial akzeptablen Weise auszudrücken.

Rückversicherung

Neue Forschungen zeigen, dass das Lächeln einen wesentlichen Einfluss auf die Regulierung zwischenmenschlicher Interaktionen hat und oft auch unbewusst das Wohlbefinden aller Beteiligten beeinflussen kann. Als Beispiel sind Auseinandersetzungen zu erwähnen, die durch wiederholtes Lächeln und Lachen entschärft werden können. Gerade wenn eine Beziehung durch eine verbale Auseinandersetzung bedroht ist, kann mit einem Lächeln auf der nonverbalen Ebene die emotionale Bindung bekräftigt werden.

Ähnliche Prozesse laufen auch in der psychotherapeutischen Interaktion ab. Zum Beispiel spricht eine Klientin über ihre Schuldgefühle und versucht dann mit einem Lächeln die Therapeutin für ihr Anliegen zu gewinnen und ihre Zustimmung zu erhalten. Die Therapeutin gerät in den Konflikt, ob sie mit einem erwiderten Lächeln den Schwerpunkt auf die Aufrechterhaltung der Beziehung legen oder sich zurückhalten soll, um den Fokus auf die Besprechung der Probleme der Klientin zu lenken. Analysen solcher Situationen können Psychotherapeuten helfen, sich solcher Interaktionen bewusst zu werden und differenzierter zu verstehen, welche Bedeutung sie für den psychotherapeutischen Pro-zess haben.


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unipressedienst – Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 23.07.98