Gartenliebhaber und Fachwelt haben das Potential der anspruchsvollen Gartengestaltung und gleichzeitig die historischen Gärten wiederentdeckt. Einer der schönsten Barockgärten in Zürich ist heute noch erhalten, der Rechberg am Hirschengraben. Er dient Studierenden wie Touristen gleichermassen als Oase der Ruhe und Erholung. Die Gärtner der Universität unterhalten ihn mit grosser Sorgfalt und Liebe. Eine weitere Sanierung steht an. Diese wird das nationale Kulturgut auch für das nächste Jahrtausend erhalten.
Vor dem ehemaligen Neumarkttor steht bis 1759 das Wirtshaus «Zur Kronen» aus dem frühen 16. Jahrhundert. Es gehört dem damals reich-sten Zürcher, dem Mousseline-Fabrikanten Hans Kaspar Oeri. Seine Tochter Anna Werdmüller-Oeri lässt zwischen 1759 und 1770 vermutlich durch die Architekten David Morf und Konrad Bluntschli den Älteren das Palais «Zur Kronen» erbauen. Wenige Stiche und insbesondere der Müller-Plan um 1790 zeigen den wohl prächtigsten Garten der Zeit.
Die 1772 datierte Federzeichnung von J.J. Hofmann zeigt hinter dem Palais die Orangerie, die Stützmauern mit Töpfen, die Terrassen mit aufrechten Pflanzen, den Pavillon und die Einzäunung. |
Projektplan: Der Garten erhält innerhalb der erhaltenen Substanz eine neue Einfriedung, die oberen Terrassen werden mit Eibenkegeln bepflanzt, anstelle des Pavillons entsteht ein Baumplatz und das 1997 angelegte Blumenparterre. |
Der Geometer-Plan wurde um 1790 von Ingenieur Johannes Müller (1733-1816) erstellt. Heute sind von der barocken Anlage noch die generelle Aufteilung in Hof, Parterre und Terrassen sowie den Mauern, Brunnen und der erweiterten Orangerie erhalten. |
Bereits 1814 sind die Laube und der Pavillon auf der ersten Terrasse nicht mehr vorhanden, 1830 wird der zentrale Pavillon zu den Schanzen hin abgebrochen.
Im 19. Jahrhundert
Von 1839 bis 1866 ist das Gut im Besitz der Familie Schulthess von Rechberg, die ihm auch den bis heute erhaltenen Namen gibt. Gustav Adolf von Schulthess erwirbt 1844 zwei Bauparzellen im ehemaligen Schanzenbereich und lässt eine prächtige Aussichtsterrasse und viel Pflanzland anlegen. Zudem wird der barocke Garten anglisiert. Geschwungene Wege, üppig bepflanzte Beete, malerisch angeordnete Bäume und Sträucher sowie eine prächtige Grottenanlage verdecken die stehengelassenen barocken Mauern. Eine Bestandsaufnahme für den neuen Besitzer, alt Staatsschreiber Vogel, dokumentiert 1866 die vielen neuen Pflanzbeete, die auch zur Verbreiterung der oberen Terrassen geführt haben.
Im 20. Jahrhundert
Seit 1899 gehört der Rechberg der Universität Zürich. In den Jahren 1936 bis 1938 wird die dritte grosse Umgestaltung durchgeführt, eine vereinfachte Rekonstruktion durch die Zürcher Firma Gebrüder Mertens.1958 erfordert der Bau der «Physik» den Abbruch der Aussichtsterrasse. Die obere Gartenpartie wird pflegeleicht umgebaut und der grösste Teil des Gartens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einige Flächen werden weiterhin durch das Botanische Institut und die Universitätsgärtnerei beansprucht. In den achtziger Jahren wird das Parterre erst wegen eines Leitungsbaus, dann wegen einer Theateraufführung umgepflügt. Es ist dem Regiebetrieb der Universität zu verdanken, dass die Anlage für die Besucher trotz aller Umstände noch als Garten erkennbar geblieben ist.
In der heutigen Anlage sind von der barocken Anlage noch die Grundstruktur mit dem Hof, dem mauerumfassten Parterre, den Neben- und oberen Terrassen erhalten. Es finden sich aber nur noch wenige barocke Mauerteile. Vom 19. Jahrhundert zeugen die Terrassierung, die erweiterte Orangerie, das Guhlsche Gewächshaus und die mächtige Eiche. An den Umbau der Gebrüder Mertens erinnern noch einige Stellriemen. Der grösste Teil stammt jedoch aus der Zeit nach 1960 und sollte mit dem Auszug der Blumenanzucht und dem Abbruch der Treibbeete für das Botanische Institut adäquat ersetzt werden.
Das Parkpflegewerk
Wie so oft bei historischen Gärten ist auch im Fall des Rechberggartens zuerst durch
ein Gutachten eine Rekonstruktion gefordert worden. Der Auftraggeber des Gutachtens hat
die Vorschläge aus denkmalpflegerischen und finanziellen Gründen abgelehnt. Damit wurde
auf den Bau der Pavillons, der Laube und eine Neuterrassierung verzichtet. Die Alternative
heisst Substanzerhaltung und rücksichtsvolle Weitergestaltung.
Der Garten wird in einem Parkpflegewerk aufgearbeitet, das auch gartenarchäologische
Grabungen beinhaltet. Fragmente wie eine alte Quelleitung aus Sandstein mit
Ziegelabdeckung und Lehmmantel geben bautechnische Aufschlüsse und bestätigen alte
Pläne. Der Boden des Rechberggartens ist aber zu oft gestört worden,
als dass die Grabungen insgesamt ein schlüssiges Ergebnis zeigen könnten.
Der Rechberggarten heute: Barocke Gartenlust in zeitgenössischer Formensprache und Naherholungsraum. |
Auch der ökologische Wert des Rechberggartens ist untersucht worden. Hier wie andernorts hat es sich gezeigt, dass bei genauer Kenntnis und Absprache für Naturschutz und Denkmalpflege Erfolge erzielt werden können. So werden zum Beispiel bei der Sanierung der alten Mauern nur Holzpflanzen, aber keine Farne und Gräser entfernt oder nicht alle Mauerteile gleichzeitig ausgefugt, um Ritzen als Lebensraum für Kleinlebewesen weiterhin zu erhalten.
Die barocke Anlage
Im Wechsel von Symmetrie und Asymmetrie der barocken Anlage ist mittels einer entwerferischen Analyse zunächst das axiale Prinzip gesucht worden. In ehemaligen und aktuellen Plänen, in Grundriss und Ansicht wird die Frage des Gleichgewichtes und des Schwerpunktes des Gartens untersucht. Von zentraler Bedeutung ist die Längsachse und auf ihr der Hofbrunnen, die Fontäne und die Kanzel, Standort des ehemaligen Pavillons.
Die Interpretation ist dreifach: Im utilitären Sinn bilden Hofbrunnen, Fontäne und
Pavillon drei Aufenthaltsorte; zweitens werden drei Bewegungszustände dargestellt, das
Wasser findet im Hof seine Ruhe, im Parterre schiesst die Fontäne hoch und verbindet sich
mit dem Himmel, und der Pavillon mag den Parnass versinnbildlichen und damit die Quelle
für die Gartenschöpfung darstellen. Und schliesslich vermag das Spiel von Spritzen und
Fliessen zu belustigen und beleben. Diese Deutung wird durch die Treppen bekräftigt, die
insbesondere im Barockgarten oft als Symbol verharrender Dynamik im äusserst statischen
Gefüge wahrgenommen werden.
Alte Idee, neue Zeichen
Der erste Entwurf verstärkt den Gegensatz von Axialität und Asymmetrie. Die Längsachse wird mit verschiedenen Elementen wie hohe Mauerscheiben, Wasserrinnen und Buchskugeln asymmetrisch umspielt. Dem Setzen und Fliessen, der Ruhe und Dynamik, werden neue Zeichen zugeordnet. Die gesuchte Beziehung zwischen den hohen Mauerscheiben und den vorhandenen Baum- und Bauvolumen vermag jedoch nicht ganz zu befriedigen. Ebenso könnten die zusätzlich eingeführten Wasserelemente eher als Konkurrenz denn als Ergänzung verstanden werden.
Hier liegt vielleicht eine Hauptfrage im Umgang mit historischem Kulturgut. Wieweit muss eine Sanierung aktuelle gartenkünstlerische Auseinandersetzung mit der noch vorhandenen Substanz sein? Vermögen die neuen Zeichen die Aussage der ursprünglichen Idee zu stärken, ohne in eine selbstverleugnerische Rekonstruktion zu verfallen, die ebenso neu ist wie ein neuer Entwurf?
Die Zukunft des Gartens
Aus der Kritik am ersten Entwurf resultiert das Projekt. Es ist ruhiger und direkter geworden. Elemente wie die Eibenkegel interpretieren jetzt den ursprünglichen Entwurf und akzentuieren das Linienspiel von Horizontale und Vertikale. Ebenso sind die Kieswege, die Spaliere, die Zäune und Hecken, die Kübelpflanzen und die Buchshecken eine direkte Referenz an den Barockgarten. Andererseits sprechen die Anordnung der Beete im Parterre, die verspannten Buchsreihen auf der zweiten Terrasse, die Bemalung der Eichentöpfe oder die Holzbänke eindeutig die Sprache unserer Zeit. Die Weitergestaltung nimmt sowohl in der grossen Linie als auch im Detail Bezug auf die barocke Gestaltung.
Die unteren Gartenpartien, die seit dem Auszug der Universitätsgärtnerei in den achtziger Jahren brachlagen, sind im Laufe der Unterhaltsmassnahmen saniert worden. Die Stützmauern sind mit Obstspalieren in Buchsrabatten, das Blumenparterre im Sinne eines «Parterre de Compartiment dun goût tres Nouveau» wie dies bereits der grosse Gartentheoretiker Dezaillier dArgenville in der Mitte des 18. Jahrhunderts formulierte neu bepflanzt worden. In den nächsten Jahren wird die obere Gartenpartie umgebaut.
Bei den Umbauten von 1958 wurde der Zaun um den Garten entfernt. Vandalen haben aber
immer wieder Gehölze und Pflanzungen zerstört. Das Spalierobst musste mehrfach
nachgepflanzt werden, am vergangenen Silvester wurden fünf Eibenkegel abgefackelt. Darum
soll der Garten in der Nacht geschlossen werden. Nicht nur dem finanziellen Verlust kann
so begegnet werden, es geht vor allem auch um den ideellen Verlust. Die Pflanzen werden
jahrelang intensiv gepflegt und geschnitten. Auch im Rechberggarten wird der
Pflanzenschnitt heute wieder gewürdigt, jene gärtnerische Tradition, die im Barock zur
Hochblüte fand.
Alte Gartenbilder in neuer Form werden auch dieses Jahr wieder die Jahreszeiten spiegeln.
Dem Tulpenmeer im Frühling folgt eine Sommerpflanzung in Blau. In den
Trockenwiesenböschungen zwischen den Terrassen blühen Veronika und Gundermann. Die
Einheit von Natur und Kultur findet auch dieses Jahr statt. Der Rechberggarten wird neu.
Und dennoch erzählt er seine 250jährige Geschichte.
Guido Hager
Der Garten ist öffentlich zugänglich und wird nachts geschlossen.
Bauherrschaft
Hochbauamt des Kantons Zürich, Bauabteilung 3 (Universität)
Projektverfasser
Guido Hager, Landschaftsarchitekt, Zürich
Wechselflorpflanzung
Nicole Newmark, Landschaftsarchitektin, Oetwil
Ökologie
Stefan Ineichen, Biologe, Zürich
Archäologische Grabungen
Christa Ebnöther, Archäologie des Kantons Zürich
Mitarbeiter
Patrick Altermatt, Raphael Gloor, Stephan Herde
Literatur
- Gustav W. v. Schulthess, Christian Renfer: Von der Krone zum Rechberg, Stäfa 1996
- BSLA, Hrsg. Guido Hager, Gute Gärten, Zürich 1995
- Topos 19/1997, Guido Hager, Wider die Rekonstruktion (S. 104ff.)
- Alexandre le Blond, Die Gärtnerey, Neudruck Leibzig 1986 nach der Ausgabe von Augsburg 1731
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Pressestelle der Universität Zürich
Nicolas Jene (upd@zuv.unizh.ch)
Last update: 13.05.98