New Public Management an den Hochschulen

Die Weltwirtschaft globalisiert sich zunehmend. Produktionsstandorte werden weltweit mit immer weniger Rücksicht auf die «traditionellen» Standorte in den «alten Industriestaaten» optimiert. Das schränkt den Handlungsspielraum der politischen Behörden empfindlich ein. Das New Public Management nimmt diese wettbewerbspolitische Herausforderung an und will einen global kompetitiven Staat.

VON ERNST BUSCHOR

New Public Management (NPM) ist das weltweit aktuellste und in fast allen Industriestaaten im Aufbau begriffene Führungssystem der öffentlichen Verwaltungen. Es ist im anglo-amerikanischen Raum seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre entwickelt worden und hat vor allem in Neuseeland einen sehr hohen Stand erreicht. Die öffentlichen Unternehmungen wurden privatisiert, die privaten und öffentlichen Arbeitsmärkte dereguliert und eine klare Trennung zwischen der strategischen Festlegung der Staatsaufgaben durch die politischen Behörden (WAS der Staat tut) und der operativen Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung sowie verselbständigte oder private Träger (WIE die Aufgaben erfüllt werden) vorgenommen. Verwaltung und private Träger erfüllen die vom Staat übertragenen Aufträge auf Grund von quantitativ und qualitativ umschriebenen «Aufträgen», für welche eine finanzielle Vergütung vereinbart wird (Leistungsauftrag und Globalbudget).

Formen und Zielsetzungen des NPM

In Europa wird unter New Public Management allerdings nicht immer das gleiche verstanden. Für die einen ist es ein System dezentralerer Führung mit neuen Führungsinstrumenten wie Controlling, Benchmarking und Lean Management, für die anderen ist es die möglichst weitgehende Privatisierung staatlicher Tätigkeiten. Die meisten Autoren unterscheiden zwischen dem Führungsansatz als Neuinstrumentierung staatlicher Steuerung und dem Privatisierungsansatz als möglichst weitgehende Deregulierung und Privatisierung staatlicher Tätigkeiten. Wenn wir in der Schweiz von wirkungsorientierter Verwaltungsführung sprechen, meinen wir in erster Linie den Führungsansatz.

Zusammenfassend hat das NPM folgende Merkmale:

  1. Wettbewerbsorientierte Steuerung durch die Trennung der Kompetenzen zwischen Finanzierungsträger(n) (zum Beispiel Erziehungsdepartemente) und Leistungserbringer(n) (zum Beispiel Hochschulen);
  2. Fokussierung auf Effektivität, Effizienz und Qualität der Aufgabenerfüllung;
  3. Trennung der strategischen Führung (WAS die Hochschulen leisten sollen) von der operativen Führung (WIE die Aufgaben von der Hochschule erfüllt werden);
  4. Grundsätzliche Gleichbehandlung privater und öffentlicher Leistungserbringer im Rahmen von Leistungsaufträgen und Globalbudgets;
  5. Gezielte Förderung der Innovation (als Teil des Leistungsauftrags) dank delegierter (nicht nur dezentralisierter) operativer Führung.

Die Gründe, weshalb sich die Politik und die Verwaltung für das NPM interessieren, sind vielschichtig und eher diffus: Die Verwaltung (auch die Universität) erwartet mehr Autonomie und eine Entbürokratisierung, die Finanzpolitiker möchten damit den Haushalt möglichst rasch sanieren, Regierungen und teilweise auch Parlamente erhoffen sich mehr und neue Steuerungsmöglichkeiten. Viele Politiker befürchten, Regierung und Verwaltung wollten mit Globalbudgets ungeliebte Rechtfertigungszwänge loswerden und dem Parlament durch nichtssagende Budgets Entscheidungsbefugnisse entziehen. Die Träger der Aufgabenerfüllung sind enttäuscht, wenn aufgrund von Leistungs-Kosten-Vergleichen (Benchmarking) Haushaltskürzungen vorgenommen werden. Leistungsindikatoren werden als «unzulänglich» erklärt oder das Ganze wird als verfehlter «ökonomistischer Auswuchs» oder als Beleidigung der professionellen Amtsführung abgetan.

Die Beurteilung der Amtsführung erfordert im konkreten Falle die Beantwortung folgender Fragen:

Leistungs- und Kostenvergleichen kommt in der öffentlichen Verwaltung eine erhöhte Bedeutung zu, je mehr diese unter monopolähnlichen Rahmenbedingungen arbeitet. So kann der «Kunde» die Primarschule, die Entsorgungsbetriebe oder die Polizei nicht «auswählen». Wegen der häufig massiven Kostenunterdeckung steuern die Abgaben oder «Marktpreise» das System nicht. Neben den Kosten müssen Outcome, Output usw. sorgfältig erfasst werden, was stets zu heftigen Kontroversen über die Messung und deren Qualität führt. Qualitätssicherung ist daher im öffentlichen Bereich noch wichtiger, aber teilweise auch komplexer als in privaten Unternehmungen. Es müssen umfangreiche, teure Evaluationen vorgenommen werden. Es sind dies umfassende, methodisch breit angelegte Untersuchungen über die mutmasslichen oder erreichten Auswirkungen von Massnahmen.

Zürcher Universitätsgesetz als Weg zum NPM

Mit der Vorlage für das neue Universitätsgesetz wird eine Universität Zürich angestrebt, die Raum für leistungsstarke, innovative Lehre, Forschung und Dienstleistungen schafft. Zu diesem Zweck wird die Autonomie der Universitätsorgane erhöht und eine flexible operative Führung im Rahmen des Leistungsauftrags und des Globalbudgets ermöglicht. Die Elemente des neuen Führungssystems sind in untenstehender Abbildung dargestellt.

Das Universitätsgesetz orientiert sich grundsätzlich am New Public Management. Allerdings ist noch erhebliche Entwicklungsarbeit für die Umsetzung vor allem der Messung der Output- und Outcome-Seite zu leisten, die sich aber auf ausländische Systeme und Erfahrungen unserer «Nachbaruniversität», der ETH, abstützen kann.

Selbst- und Fremdevaluation als Führungsinstrumente

Das Universitätsgesetz sieht ein System der sich ergänzenden Selbst- und Fremdevaluation der Universitätsleistungen (Output und Outcome) vor, das mit verhältnismässigem Aufwand Informationen über das Leistungs-Kosten-Verhältnis in den Universitätsbereichen bereitstellen und über den zweckmässigen Einsatz der Universitätsgelder informieren soll.

Die interne Evaluation ist von den Hochschulleitungsorganen zu gestalten. Nebst Indikatoren sind Peers (fachkompetente Persönlichkeiten) einzusetzen. Die interne Evaluation soll differenzierte Erkenntnisse über die fachlichen Leistungen der Hochschulangehörigen in Lehre, Forschung und Dienstleistungen vermitteln und zur Entwicklung hochschulinterner Qualitätsstandards und Schwerpunktbildungen beitragen. Sie ist daher ein zentrales Führungsinstrument der Universität. Wegen den damit verbundenen Kosten ist eine umfassende Evaluation von Universitätsbereichen nur in mehrjährigen Intervallen vertretbar; sie kann aber durch jährliche Teilevaluationen (zum Beispiel Studierendenbefragungen über den Unterricht und Auswertungen der jährlichen Tätigkeitsberichte der Fakultäten und Institute) ergänzt werden.

Universitäten im globalen Netzwerk der tertiären Bildung

Auf dem globalen Netzwerk der tertiären Ausbildung baut die externe Evaluation auf. Bei ihr steht die gesamtuniversitäre Betrachtung und insbesondere die Frage der Erfüllung des Leistungsauftrages und des Globalbudgets im Vordergrund. Das Hochschulsystem Schweiz steht vor allem in einem globalen, aber auch nationalen Wettbewerb. Die nationale Komponente wird verstärkt durch die finanzielle Mitverantwortung der Nichthochschulkantone und spiegelt sich in den erhöhten Leistungen für das Universitätskonkordat.

Die nationale «Hochschulszene» befindet sich in einer Umbruchsphase, die durch das Spannungsverhältnis zwischen Koordination und Autonomie geprägt ist. Die Nichthochschulkantone und teilweise die Bundesstellen halten die Koordination unter den Universitäten für ungenügend, was sich unnötig kostensteigernd auswirke. Andererseits ist darauf zu achten, dass unter den Universitäten sowohl national und vor allem international Wettbewerb herrscht, in dem sich die Universitätsleitungen positionieren müssen. Nur wirkliche internationale Exzellenz wird sich in einem solchen Rahmen behaupten können.

Gleichzeitig müssen die Universitäten auch Schlüsselfelder der Forschung für die gedeihliche Entwicklung unserer Volkswirtschaft erschliessen, die Weltspitze halten und dem privaten Sektor vermitteln. Die Qualität unserer universitären Forschung ist insgesamt gut. Wir kranken aber an einer Isolation des Wissenschaftssystems vom sozio-ökonomischen System und einer hohen Intransparenz des Wissenschaftssystems. Die Anreizsysteme für Forscher und die Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Politik sind ungenügend. Unser Technologieportfolio ist zu traditionslastig und die Orientierung an den neuen Informationstechnologien (auch im universitären Unterricht) zu schwach. Dies führt teilweise dazu, dass uns selbst hohe Standards der Forschung wenig weiterhelfen.

Im Vordergrund der externen Evaluation der Universitäten wird daher der sozio-ökonomische Nutzen der Universitäten stehen. Nach den Berechnungen des deutschen Forschungs- und Wissenschaftsministeriums wird ­ nach dem Eintritt der Schwellenländer in die Forschung der Bestand an den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen in den nächsten 20 Jahren um das Doppelte zunehmen.

Die Schweiz kann unmöglich in der vollen Breite mithalten. Das Setzen von Prioritäten in der Wissenschaftspolitik ist die zentrale Gemeinschaftsaufgabe von Politik, Wirtschaft und Universitäten. Die rasche Umsetzung von Grundlagenforschungserkenntnissen in Wirtschaft und Politik wird die strategische Schlüsselrolle für die Wohlstandsentwicklung einnehmen. Als entwicklungspolitisches Bindeglied zur Umsetzung der Grundlagenforschung werden zurzeit die Fachhochschulen ausgebaut, denen politische Priorität zukommt. Eine schweizerische Form der Aufgabenteilung zwischen Universitäten und Fachhochschulen als gleichrangige Partner bei der Aufgabenteilung in der Grundlagenforschung (Universitäten) und in der Entwicklungsumsetzung (Fachhochschulen) muss umgehend aufgebaut werden. Das Hochschulevaluationssystem ist daher auch mit dem im Aufbau stehenden Fachhochschulevaluationssystem abzustimmen.

Damit werden hohe Ansprüche an die Evaluation gestellt. Dazu braucht es sowohl durch Indikatoren quantifizierbare Informationen als auch qualitativ wertende Informationen. Der Vorteil der Indikatoren ist ihre höhere Transparenz. Sie können aber nicht das ganze Spektrum abbilden. Um so wichtiger ist es, dass sie die strategischen Schlüsselgrössen erfassen. Die Schwäche rein qualitativer Informationen ist ihre Intransparenz und Vergleichbarkeit. Eine Strategie kann daher nicht ausschliesslich auf solchen Informationen aufgebaut werden. Wir brauchen beide Informationsformen; das tertiäre Bildungssystem muss dabei als Einheit betrachtet werden.

Damit schliesst sich der Kreis zum New Public Management als Instrument der Bewältigung der Globalisierung. Wir stehen im Paradigmawechsel von der regional-nationalen zur globalen Gesellschaft. Die globale Gesellschaft verlangt andere Sichtweisen und entwertet zum Teil «bewährte Erfahrungen» der lokalen Gesellschaft. Die «Universitas scientiarum» tritt von der Vision in die Realität. Die Universitäten und Fachhochschulen tragen für die erfolgreiche Umsetzung der Erkenntnisse zusammen mit den politischen Behörden und der Wirtschaft die Hauptverantwortung! Das neue Universitätsgesetz schafft hierfür eine wichtige Grundlage.


Prof. Dr. Ernst Buschor ist Erziehungsdirektor des Kantons Zürich.


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Nicolas Jene (
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Last update: 09.07.97