VON REINHARD SEGER UND JOHANN PETER HOSSLE
Bei den Septischen Granulomatosen (engl. Chronic Granulomatous Diseases, CGD) handelt es sich um eine Gruppe angeborener Immunabwehrschwächen, die von den ersten Lebensmonaten an zu wiederkehrenden, oft lebensgefährlichen Bakterien- und Pilzinfektionen führen.
Früher Tod infolge schwerer Pilzinfektion oder irreparabler Organschädigung ist die Regel. Die Infektanfälligkeit beruht auf der ungenügenden Fähigkeit der Phagozyten (Fresszellen) im Blut zur Abtötung von Mikroben. Die Phagozyten verfügen normalerweise über ein Enzym, die Phagozytenoxidase (phox), welche bei Erregerkontakt der Zelle molekularen Sauerstoff zu mikrobenabtötenden Radikalen reduziert. Bei CGD-Patienten ist die Funktion dieser Phagozytenoxidase infolge eines genetischen Fehlers gestört. Wir beschäftigen uns mit der häufigsten, x-chromosomal vererbten Form von CGD (X-CGD) und versuchen, das defekte Gen der zirkulierenden Phagozyten und Knochenmark-Stammzellen durch das gesunde Gen zu ersetzen. Angesichts der Schwere der Krankheit, die man gegenwärtig nicht effizient genug behandeln kann, ist CGD eine der ersten Kandidaten für die Gentherapie am Menschen. Sie bekommt hiermit auch allgemeinen Modellcharakter.
Akut lebensbedrohende Infektionen können durch Transfusion von Phagozyten gesunder Spenderüberwunden werden. Die transfundierten Spenderzellen werden allerdings vom noch intakten Immunsystem des Empfängers innert Tagen angegriffen und eliminiert. Diese Abstossung würde ausbleiben, wenn patienteneigene (autologe) Phagozyten durch Gentransfer funktionell wiederhergestellt werden könnten. Rekombinante Adenoviren sind vielversprechende Vektoren für den Transfer einer intakten Genkopie in autologe X-CGD-Phagozyten hinein. Unsere im Rahmen eines Nationalfonds-Projektes (Nr. 32-40487.94) durchgeführten Modellexperimente an Patientenzellen in Kultur, ausserhalb des Körpers (ex vivo), haben gezeigt, dass Makrophagen (langlebige Fresszellen) von X-CGD-Patienten mit einer Effizienz zwischen 40 Prozent und 90 Prozent adenoviral infiziert werden können und dass die defekte Sauerstoffradikal-Produktion in bis zu drei Vierteln der infizierten Zellen wiederhergestellt werden kann. Wahrscheinlich würden bereits 10 Prozent korrigierte von allen im Blut vorhandenen Zellen für die Infektabwehr genügen.
Die skizzierte Behandlungsart könnte prinzipiell zur Überwindung lebensbedrohlicher Akutsituationen angewandt werden. Das Einfrieren von Phagozyten nach Gentransfer wird es eventuell sogar möglich machen, im voraus individuelle Zellbanken anzulegen, aus denen autologe Zellen in Situationen lebensbedrohlicher Infektionen für Transfusionen zur Verfügung stehen würden. Mit einer gentherapeutischen Behandlung von peripheren Phagozyten mittels Adenoviren kann aber keine bleibende Heilung erreicht werden, weil ausdifferenzierte Phagozyten nach bereits wenigen Tagen oder maximal einigen Monaten natürlicherweise absterben.
Da bei der CGD Blutzellen erkrankt sind, könnte man das gesamte blutbildende System (das Knochenmark) eines Patienten durch Knochenmark eines gesunden Spenders ersetzen (Knochenmarktransplantation, KMT). Ein geeigneter Knochenmarkspender muss allerdings jeweils gefunden werden, bei dem alle Haupthistokompatibilitätsantigene (HLA) mit denen des Empfängersübereinstimmen. Nur wenige Patienten sind in der glücklichen Lage, einen HLA-identischen Geschwisterspender zu haben. Viel einfacher wäre es, wenn zur Vermeidung einer Abstossung autologe genreparierte Knochenmarkstammzellen verwendet werden könnten. Der Transfer gesunder Genkopien mittels Retroviren stellt dabei einen vielversprechenden Ansatz dar. In Zusammenarbeit mit Dr. M. Grez am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt a. M. haben wir retrovirale Vektoren hergestellt, die in der Lage sind, eine gesunde Kopie des X-CGD-Genes in CD34+ Stammzellen von Patienten hineinzutragen. Dass der CGD-Phenotyp durch Genexpression aus diesen Vektoren korrigiert werden kann, wurde an menschlichen CGD-Zelllinien bereits gezeigt.
In einem ersten Schritt möchten wir die gentherapeutische Behandlung autologer Zellen mit HLA-identischer KMT kombinieren. Dabei würden die Knochenmarkzellen eines Spenders für die KMT durch retroviral transduzierte CD34+ Stammzellen vom Patienten selbst ergänzt. Durch diese Kombination könnte das Problem, dass gentherapierte Stammzellen ohne vorherige chemotherapeutische Zerstörung der bereits im KM vorhandenen kranken Stammzellen kaum eine Chance haben, sich im KM anzusiedeln, umgangen werden. Die Chemotherapie, wie sie bei der KMT angewandt wird, würde ein erfolgreiches Einnisten der rücktransfundierten Stammzellen nach Gentherapie ins Knochenmark begünstigen. Gegenüber der normalen KMT hätte die kombinierte KMT-Variante den Vorteil, dass der Patient im Falle einer Abstossung der Fremdzellen immer noch durch den Anteil reparierter eigener Zellen gerettet werden könnte.
Dr. Reinhard Seger ist ausserordentlicher Professor für Kinderheilkunde, speziell Immunologie und Hämatologie, und Dr. Johann Peter Hossle (hosslejp@kispi.unizh.ch) ist Oberassistent an der Abteilung für Immunologie und Hämatologie der Medizinischen Klinik des Kinderspitals Zürich.
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pressedienst Pressestelle der Universität Zürich
Felix Mäder (fmaeder@zuv.unizh.ch)
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Last update: 1-APR-96